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Ich werde gewiß nichts mehr einsenden

(…) Meinen herzlichsten Dank, liebster Bruder, für das hübsche Siegel, es war mir sehr erwünscht, eigentlich gradezu notwendig, und macht mir deshalb viel Freude. Ebenso herzlich danke ich Dir für deine Warnung hinsichtlich des Feuilletons. Ich bin ganz deiner Ansicht und werde gewiß nichts mehr einsenden, doch möchte ich gern ein eklatanten Bruch vermeiden, sowohl, um mir nicht mutwillig Feinde zu machen und ein paar Dutzend sehr scharfer satirischer Federn auf den Hals zu ziehen, die gewiß schlau genug sein würden, mich nicht von der katholischen, sondern von der rein poetischen Seite anzugreifen, und meinen literarischen Ruf möglichst zugrunde zu richten, als auch Schückings wegen, der doch ganz unschuldig an der Sache ist, dessen Lebensunterhalt vorläufig vom guten Bestehn des Feuilletons abhängt, der mir in den letzten Jahren eine Unzahl Gefälligkeiten erwiesen (namentlich alle meine literarischen Angelegenheiten, sowohl mit Cotta als anderwärts besorgt) hat, und dem ich leider vor noch nicht acht Tagen, auf seine dringende Bitte, meine fernere Mitwirkung am Feuilleton zugesagt habe.

Du wirst begreifen, daß es nicht nur mutwillig unvorsichtig sein, sondern auch lieblos aussehn würde, ihm, da mir seine Lage doch bekannt ist, auf eine eklatante Weise die Beträge aufzusagen. Es ist aber auch ganz hinlänglich, wenn ich nichts mehr einsende, was um so weniger auffallen wird, da ich mich doch fortan mit einer größeren Arbeit zu beschäftigen und aus allen Zeitschriften herauszuziehen gedenke, da die meisten eine so schlimme Richtung entweder schon genommen haben oder bereits Miene machen sie zu nehmen, daß in Zukunft die Verbindung mit ihnen wenig ehrenvoll bleiben dürfte, und die übrigen, noch guten, sowohl eine Gelehrsamkeit und Rednergabe verlangen, die weit über meinen Horizont hinaus liegt, als auch größeren Anfeindungen und oft plumpen Sticheleien aussetzen, als ein Frauenzimmer sich deren zuziehn darf.

Was mich verlegen macht, sind drei (sehr moralische) Gedichte, die Schücking vielleicht noch für das Feuilleton in Händen hat; ich sage vielleicht, denn es ist bey weitem wahrscheinlicher, daß sie entweder schon längst erschienen sind (was ich nicht weiß, da mir die Cölner Zeitung nie zu Händen kömmt) oder daß sie, wenn noch ungedruckt, nicht mehr erscheinen werden. Ich habe sie schon im Sommer von Abbenburg aus eingeschickt, nämlich sechs (alle unlang, und sehr moralischen, zwei sogar religiösen Inhalts) an Schücking für das Rheinische Jahrbuch, und zur Antwort erhalten, „daß er drei davon dem Jahrbuche einverleibt, die drei andern bitte er mich ihm für das Feuilleton zu lassen, dessen Redaktion er übernehmen werde.“ Nachher habe ich mi[ch nicht] weiter darum bekümmert, in meinem letzten Briefe (vor acht Tagen) aber geschrieben: „Wenn jene drei Gedichte vielleicht noch nicht gedruckt seien, so halte ich es für besser sie zu unterdrücken, sie seien in zu großer Eil und bey körperlichem Übelbefinden gemacht, seien völlig mißraten, und er wisse selbst, daß ein schwaches Gedicht dem Rufe mehr schade als zwanzig vortreffliche wieder gutmachen könnten; doch stelle ich ihm die Sache anheim, glaube aber, er werde meinen Gründen beypflichten müssen, da es ihm doch nicht entgehn könne, daß diese Gedichte an poetischem Wert unter den meisten meiner frühern ständen“. Hiernach darf ich nun wohl erwarten, daß diese Gedichte (falls sie nicht, was das wahrscheinlichste ist, längst gedruckt sind) nicht im Feuilleton erscheinen werden, und ich möchte mich nicht, um der Möglichkeit willen daß noch ein paar (für mich jedenfalls durchaus ehrenvolle) Gedichte im Feuilleton erscheinen könnten, alle den oben benannten Folgen einer bestimmten Erklärung aussetzen. Mama, die die Gedichte kennt, meint dies auch. Wenn Du es aber wünschest, will ich dennoch schreiben, obwohl ungern.

Die Sache mit dem bewußten Aufsatze in dem Görresschen Blatte liegt mir auch schwer auf dem Herzen. Wie oft erscheint das Blatt? vielleicht nur vierteljährig? oder monatlich? Wenn dann noch nicht der ganze Aufsatz erschienen ist, wäre es vielleicht noch Zeit, die Fortsetzung zu unterdrücken! was mir sehr erwünscht wäre. Wolltest Du in diesem Falle dann wohl einige Zeilen an Guido Görres schreiben und ihn darum bitten? Ich würde es selbst tun, verstehe aber nicht, mich so kurz und diplomatisch zu fassen wie du, und zudem wäre es dann wohl die höchste Zeit und vielleicht zu spät, wenn ich erst deine Antwort abwarten wollte – Du müßtest dann des Aufsatzes und der durch ihn erregten fatalen Sensation, die mich zu diesem Schritte bewegt, zwar Görres verständlich, aber sonst nicht zu bezeichnend erwähnen, tätest auch am besten den Brief nicht mit unserm Wappen zu siegeln, die Unterschrift geflissentlich undeutlich zu machen, nicht von Hülshoff zu datieren, vielleicht auch den Brief an Heinrich, zur sofortigen Bestellung, einzuschließen, kurz, alles zu tun, daß ein fremdes Auge sich nicht daraus zurecht finden könnte, denn Görres kömmt mir ganz danach vor, daß er seine Briefe umher liegen läßt. (…)

Die Veröffentlichung der "Westfälischen Schilderungen aus einer westfälischen Feder" in den "Historisch-Politischen Blättern für das katholische Deutschland" auf Betreiben von Guido Görres hat für Annettes Familie gesellschaftliche Folgen. Die "Kölnische Zeitung" gerät in derselben Zeitschrift unter Beschuss der katholischen Adelskreise, nachdem ihr Verleger Karl Joseph DuMont den revolutionär gesonnenen Karl Heinrich Brüggemann zum Chefredakteur gemacht hat. Der Brief - möglicherweise die entscheidende Erklärung für den Rückzug Annettes aus der literarischen Öffentlichkeit - wurde von der Nachfahrin Magda von Droste-Hülshoff erst 1971 zur Publikation freigegeben.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Werner-Constantin von Droste sagt:

    Nun eben noch etwas anders: Du schreibst, wie ich weiß, zu Zeiten im Feuilleton; dieses ist, so viel ich weiß, eine Zugabe zur Kölner Zeitung. Außerdem, dass ich nun schon mehrfach früher die Äußerung gehört, dass man sich wundere, wie Du Deine guten Sachen für ein Blatt hergeben könnest, welches nur einer schlechten Zeitung zur Folie diene, so hat sich in neuerer Zeit die Tendenz der Kölner Zeitung so verschlechtert, dass alle gutgesinnten Katholiken öffentlich vor einigen Tagen durch die Historisch-Politischen Blätter aufgefordert worden sind und es ihnen als Pflicht ans Herz gelegt worden ist, ihre Mitwirkung einem Blatte zu versagen, welches nur darauf abgehe, die katholische Religion schlecht zu machen. Wenn ich deshalb schon früher gegen das Einsenden von Sachen ans Feuilleton war, so bin ich es jetzt gewiss und halte es für meine Pflicht, Dir die Lage der Sache mitzuteilen, damit Du Deine Ehre nicht unwissend im Stich lassest.

    Dein treuer Bruder Werner

    Du kannst Schücking nur gerade zu sagen, wenn du eine Entschuldigung haben willst, dass ich die Veranlassung sei.
    Hülshoff, etwa 23. November 1845

  2. Historisch-Politische Blätter sagt:

    In der Journalistik hat sich hier wenig verändert. Die Kölner Zeitung fährt in ihrer alten verdeckten Feindseligkeit fort. Da sie sich nicht traut, in den einheimischen Fragen ein lautes verständliches Wort zu reden, sondern wo es sich von Religion handelt, stets in halben Tönen zwischen den Zähnen lakonische Zweideutigkeiten hinmurmelt: so hat sie sich die Schweiz als das Feld ihrer charakterlosen Tapferkeit ausersehen.

    Von dem Rechtspunkte ist hier keine Rede; das katholische Luzern und die Jesuiten müssen die Kosten ihrer armseligen Freisinnigkeit tragen. Nicht leicht ist ihr ein Märchen, ein Gerücht irgend eines schlechten radikalen Blattes zu schlecht; sie nimmt es auf. Ihr zufolge lebte in den Katholiken des Kantons Luzern nur ein Gefühl reaktionärer fanatischer Rache! …

    Katholische Artikel dagegen nimmt sie keine auf oder nach langen Gesichtern und noch längeren Reden als Inserate gegen bares Geld hinten am Schlusse des Blattes, dagegen fährt sie fort, die schlechtesten Schriften ihren Lesern anzupreisen, während sie katholischer Werke kaum mit einer Silbe erwähnt.

    Wie lange wird die Geduld der rheinischen Katholiken sich dieses nur auf Abonnenten spekulierende Unwesen gefallen lassen, und dem Blatt ihre Abonnements nicht aufkündigen?
    Aus: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, Band 16, 1845, S. 164

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