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Die geistlichen Lieder dürfen erst nach meinen Tode öffentlich erscheinen

(…) Schücking ist auch noch unversorgt und strengt sich übermäßig an, um zugleich seinen Erwerbszweigen (Sprachunterricht und literarische Arbeiten) und den nötigen Studien für sein ferneres Fortkommen genugzutun. Er sieht elend aus, klagt aber nicht. Sein Verhältnis zur Bornstedt hat übrigens nicht die von Ihnen befürchtete Richtung genommen, vielmehr ist die Rosenfarbe daran immer mehr verblichen und jetzt ein so trocknes freundschaftliches Verhältnis daraus geworden, als man es zu beider Besten nur wünschen kann. (…)

Von meinem hiesigen Leben kann ich Ihnen wenig sagen, Sie sehen einen Tag, damit haben Sie alle gesehn. Ich schreibe, lese, was mir die Güte meiner Freunde zukommen läßt, stricke ein klein, klein wenig (abends) und bin zur Abwechslung mitunter unwohl. Geschrieben habe ich eine Erzählung, in der mir manches gelungen, aber das Ganze doch nicht der Herausgabe würdig scheint, es ist mein erster Versuch in Prosa, und mit Versuchen soll man nicht auftreten. Dann habe ich den Zyklus der geistlichen Lieder vollendet, die jedenfalls erst nach meinen Tode öffentlich erscheinen dürfen.

Was ich nun zuerst vornehmen werde, weiß ich noch nicht, wahrscheinlich wieder einen Versuch für die Bühne – ob tragisch? ob humoristisch? Soviel habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Die Feder ist kaum trocken vom letzten Strich an den geistlichen Liedern, zudem darf ich sogleich noch nicht an Schreiben denken, dieser Brief ist schon außer aller Diät (…)

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. August von Haxthausen sagt:

    Ich hätte Dir längst geschrieben, liebe Nette, wenn ich nicht noch immer einige Hoffnung gehabt hätte, über H[errn] S[chücking] eine erfreuliche Nachricht mitzuteilen. Es war in Stolberg die Stelle eines Kammerassessors offen, zu deren Ausfüllung aber Kammer- und Domänenkenntnisse notwendig sind und man mit bloßer Juristerei nicht ausreicht. Nun hatte ich aber die Gräfin bereits vermocht, ihn als Privatsekretär zu sich zu nehmen; er würde dann Gelegenheit gehabt haben, die dortigen Verhältnisse und Geschäfte genau kennenzulernen und, da ein Jurist sich leicht in alles finden kann, nach Jahr und Tag dennoch jene Stelle übernehmen können. Nun aber sind der Gräfin sehr die Hände gebunden durch die Mitvormundschaft des Lehensagnaten in Wernigerode und Rossla, die jetzt großen Einfluss ausüben, da sehr viele Schulden vorhanden sind. Diese halten einen solchen Sekretär für überflüssig und wollen die Kammerassessorstelle gleich besetzt haben. Die Gräfin hat daher das Projekt aufgeben müssen …
    Brakel, 11. Juni 1840

  2. … ich hatte gedacht einen jungen Gelehrten aus München für Levin Schücking zu interessieren, er kennt ihn schon par renommé, ich glaube man ist Willens der alt Provenzialischen Literatur nachzuspüren, dabei könnte er vielleicht Arbeit bekommen und so mit den ältern Gelehrten bekannt werden, auch kommen ja jetzt die Grimms nach Berlin, sollte Nette durch diese ihm nicht vielleicht eine Stelle verschaffen können …
    An Therese von Droste, 3. August 1840

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