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Levin Schücking

Bereits als 16-Jährige lernte Annette von Droste die Mutter von Levin Schücking, Katharine Schücking geb. Busch (1793–1831), kennen. Katharine war eine recht bekannte Schriftstellerin, allerdings eher im negativen Sinn, denn in Münster kursierten Spottzeichnungen über sie, da sie es als Frau gewagt hatte, mit ihren literarischen Arbeiten an die Öffentlichkeit zu treten. Für die Droste wurde die vier Jahre ältere Dichterin jedoch schon bald zum Idol, dem sie bewundernd gegenüberstand.

Levins Eltern Paulus Modestus und Katharine Schücking. Foto: Monika Gemmer
Levins Eltern Paulus Modestus und Katharine Schücking. Foto: Monika Gemmer

Das Zusammensein der beiden Frauen dauerte nur knapp ein Jahr. Katharine Busch heiratete 1813 Paulus Modestus Schücking und erklärte ihrer Freundin Annette, dass sie das Dichten nunmehr aufgeben müsse. Sie meinte, sich zwischen dem Leben als Dichterin und dem als Ehefrau entscheiden zu müssen, da sie „nur in einer Art ein ganzer Mensch“ sein könne.

Sie wählte das Leben als Gattin, Hausfrau und Mutter, auch wenn es ihr erklärtermaßen schwerfiel, und zog mit ihrem Ehemann ins abgeschiedene Emsland. Annette von Droste-Hülshoff war vom Verhalten ihrer Freundin enttäuscht. Sie glaubte, dass Menschen wie sie und Katharine zum Dichten geboren seien und dass keine Verpflichtung das angeborene Talent verdrängen sollte.

Über das Verhältnis der beiden Dichterinnen zueinander gibt das Widmungsgedicht an „Katharine Schücking“ Auskunft, das die Droste 1842 – mit einem zeitlichem Abstand von fast 20 Jahren – verfasste.

Du hast es nie geahndet, nie gewußt,
Wie groß mein Lieben ist zu dir gewesen

Katharine Schücking starb mit 40 Jahren, ihr Sohn Levin war gerade 17 Jahre alt. Bei einem Aufenthalt in Münster hatte er 1830 die Jugendfreundin seiner Mutter – Annette von Droste – kennengelernt; später studierte er Jura und kehrte 1837 nach Münster zurück, wo er erneut Kontakt zur Droste aufnahm. Aus der Bekanntschaft entwickelte sich bald eine tiefe Freundschaft, die unter anderem auf dem gemeinsamen Interesse für Literatur beruhte. Nachdem Levins Mutter gestorben war, fühlte sich die Droste für den jungen Mann verantwortlich; sie versuchte, ihre Kontakte für sein berufliches Fortkommen zu nutzen.

Schücking entschied sich für eine Laufbahn als Schriftsteller und Journalist, er veröffentlichte Bücher und Beiträge in mehreren Zeitungen, stand einige Monate auf Vermittlung der Droste als Bibliothekar in den Diensten Joseph von Laßbergs auf der Meersburg, war Redakteur bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung und Leiter des Feuilletons der Kölnischen Zeitung.

Levin Schücking auf einem Stahlstich von H. Weger; Quelle: Wikipedia

Die Zuneigung der Droste zu Schücking sollte nicht publik werden – Alters- und Standesunterschied waren zu groß, und schon Gerüchte musste die Dichterin um jeden Preis vermeiden. Aus diesem Grund belog sie ihre Mutter, als sie das mehrmonatige Zusammensein mit Levin Schücking in Meersburg, ohne mütterliche Aufsicht, im Winter 1841/42 als Idee des Schwagers Laßberg ausgab, obwohl sie das Zusammentreffen selbst arrangiert hatte.

1841 hatte sich Annette von Droste mit mehreren Beiträgen, allerdings ohne Namensnennung, an dem Werk „Das malerische und romantische Westfalen“ von Ferdinand Freiligrath und Levin Schücking beteiligt. Anonym blieb auch ihr Beitrag „Der Meister des Dombaus“ für Levin Schückings „Der Dom zu Köln und seine Vollendung“, das 1842 in Köln erschien.

Levin Schücking war seinerseits als literarischer Vermittler für die Dichterin tätig. Er stellte den Kontakt zum Stuttgarter „Morgenblatt für gebildete Leser“ her, in dem die Droste von Februar 1842 bis September 1844 insgesamt 13 Gedichte veröffentlichte. Der zweiten Buchveröffentlichung, die 1844 bei Cotta erschien, ging die schwierige Wahl eines passenden Verlegers voraus. Aus Bielefeld hatte sich bereits im April 1842 der Verlag Velhagen & Klasing angeboten. Adele Schopenhauer bemühte sich in Jena um einen Verleger; der Kölner DuMont bot sich an, und Levin Schücking nutzte seine Kontakte zu Cotta, um diesen schließlich als Herausgeber zu gewinnen.

Im folgenden Jahr erschienen mehrere Rezensionen Levin Schückings; am 9.März 1845 schrieb er in der „Allgemeinen Zeitung“, Annette von Droste-Hülshoff sei „uns fremder als alle ihre Schwestern, denn ihr Geist hat wirklich die Genialität eines Mannes“. Besonders hob Schücking „ihr poetisches Intuitionsvermögen, welches Frauen immer in geringem Grad besitzen“, hervor. In einer anderen Besprechung Schückings im Juli 1845 in den „Monatsblättern zur Ergänzung der Allgemeinen Zeitung“ war zu lesen:

„Wenn man sonst einen Band Gedichte irgend einer Dame aufschlägt, so findet man gewöhnlich was man in allen früheren fand, […] Dieser westfälischen Sängerin dagegen gebührt der Ruhm in die Frauenlyrik durchaus männlichen Ausdruck, entschlossene und energische Kürze und eine Fülle originaler Bilder und Gedanken gebracht zu haben […]“

Die Heirat Schückings mit Luise von Gall kann als Wendepunkt in der Freundschaft betrachtet werden. Die Droste hatte ihr „Pferdchen“, ihren „Schulte“ eindringlich vor einer vorschnellen Verbindung gewarnt – ob auch Eifersucht dabei eine Rolle gespielt hat, sei dahingestellt. Levins Roman „Die Ritterbürtigen“, für den er angeblich vertrauliche Details verwendete, die er von der Droste hatte, sorgte schließlich für den endgültigen Bruch.

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