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Mein Patenjunge!

(…) Ich habe eine lange recht schwere Zeit verlebt, krank, sehr betrübt und gänzlich unfähig zum Schreiben, was mir auf der Stelle Erbrechen zu Wege brachte. Wie oft habe ich an Euch Lieben gedacht und mich abgesorgt um Luise und das Kindchen, von denen mir auch niemand etwas sagen konnte. Ihr Brief an Hutterus gab mir die erste und einzige indirekte Beruhigung, da doch wohl alles gut stehn mußte, wenn Sie an die Herausgabe Ihrer Gedichte denken konnten. Gott segne Mutter und Kind und lasse was Gutes wachsen aus dem kleinen dicken Fresser! Levin, schreiben Sie mir doch, wie der Junge jetzt aussieht. Ich muß den Schlingel sehen, wenn ich nach Meersburg komme, auf die eine oder andre Weise – Sie zu uns oder ich zu Ihnen. Mein Patenjunge! Sobald ich soweit zu Verstande komme, will ich ein schönes großes Gedicht auf den Jungen machen, der wird mal besungen werden! Papa, Mama und Patin gegen einander an. Ich will ihm auch ein Patenstück schenken, etwa einen hübschen silbernen Becher oder dergleichen; aber dazu muß er erst etwas größer sein, daß er wenigstens die Hände ausstrecken und danach zappeln kann, sonst macht es mir nur halbes Vergnügen. Ich wollte, der Junge gliche mir ein klein wenig mit; aber da wird wohl nichts aus werden, er möchte denn auf seine Grosmutter kommen. Schreiben Sie mir nur fleißig von ihm, es wird mir nie zuviel. (…)

Ihre Rezension über die Paalzow ist mir noch nicht zu Augen gekommen; aber auf Ihre Gedichte bin ich äußerst begierig, ich kenne eigentlich erst höchstens ein Dutzend derselben. Und wie heißt denn der dicke Roman? Wie weit sind Sie? Wes Inhalts? Wer verlegt ihn? Sie müssen nicht so kurzab sein; schickt sich das für einen kleinen Jungen seinem Mütterchen gegenüber? Aber jetzt denkt der kleine Junge an nichts als an den allerkleinsten Jungen! Adieu, lieb Kind, tausend Liebes an Luisen. Mama läßt Euch beide herzlich grüßen; sie ist gottlob sehr wohl, ihr Herzklopfen viel geringer als in Meersburg. Nochmals Adieu, und nehmen Sie beym Antworten meinen Brief zur Hand. Gott segne Euch alle Drei. Antworten Sie bald.

Ihr treues Mütterchen.

Sagen Sie mir doch, wer mein Anteil am Taufgelde ausgelegt hat und wie viel es macht; vergessen Sie aber doch nicht.

Carl Lothar Levin Schücking, der Sohn von Levin Schücking und Luise von Gall, wurde am 19. Dezember 1844 geboren. Ein Gedicht auf ihn von der Droste ist nicht bekannt.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Um Gotteswillen, was ist das, mein liebes Mütterchen, dass Sie gar nicht schreiben – anfangs dachte ich, Sie unterließen es aus sündigem Hochmut, denn ich habe Sie oft sagen gehört, wenn den Leuten ganz was Besonderes passiert wäre, so schrieben Sie ihnen anfangs nicht, damit Ihr Brief nicht im Trubel anderer Gedanken in Missachtung und Vergessenheit fiele, jetzt wird mir’s aber zu lang! Mein kleiner Junge ist fast schon dem Puck entwachsen und im Diskurieren der große Kerl geworden und Sie haben mir noch nicht einmal dazu gratuliert! Und wissen obendrein noch nicht einmal, daß Sie Patin sind: ja, denken Sie, als zweite Patin habe ich, um neben dem Hauptpaten, dem Landjägermeister v. Gall, der die Prosa des Lebens bei dem Jungen vertreten muss, auch das poetische Element, das westfälische verwandte Blut nicht fehlen zu lassen – habe ich Sie keck in’s Kirchenbuch schreiben lassen, Ihrer Erlaubnis sicher, und so sind Sie nun mit uns in geistige affinitas und Verwandtschaft gekommen!

    Luise war recht vernünftig bei der Taufe, und obwohl es ihr freilich eine kleine Alteration machte, dass ihr Lothärchen nun ein „katholisch Bübchen“ werden sollte, gab sie sich doch mit Geduld darin. Er heißt Karl Lothar Levin, der kleine Schlingel, befindet sich à merveille, wird alle Tage dicker und schöner und ist ein Prachtkerl; isst aber auch alle Tage sechs Zwiebäcke und trinkt anderthalb Maß Milch dazu, obwohl er erst acht Wochen alt ist. Loise konnte ihn nicht stillen, weil er zu große Ansprache zu machen begann. Oh, ich könnte Ihnen noch drei Seiten lang Geschichten von ihm erzählen, wenn ich wüsste, dass es andere Leute so interessierte wie den glücklichen Papa. Gott erhalte uns den Jungen!

    Für den Paten hat Doktor Kolb und für Sie die Doktorin Kolb ihn auf die Taufe gehalten, die im Hause ganz ohne weitere Feierlichkeit abgemacht worden ist.

    Luise hat sich sehr erholt. Anfangs war sie sehr herunter; jetzt aber geht es ihr nach Wunsch, und ihr früheres Magenleiden hat sie verloren.

    Nun beschwöre ich Sie aber, mir recht bald mit ein paar Zeilen zu sagen, was Ihnen ist, liebes Mütterchen, damit ich beruhigt darüber werde. Einen langen Brief, wenn Sie unwohl sind, verlange ich ja nicht – nur ein paar Zeilen! Luise fragt auch täglich: warum nur Annette nicht schreibt? Das westfälische Klima hat Ihnen in diesem Winter gewiß wieder recht zugesetzt, nicht wahr? Der Winter ist aber auch so streng, hier ist’s fürchterlich kalt, und eine ungeheure Masse Schnee gefallen.
    Augsburg, 14. Februar 1845

  2. Luise von Gall sagt:

    Ich muss Ihnen auf dem kleinen freien Plätzchen noch guten Abend sagen und dass Ihr Patchen jetzt schon, obgleich noch nicht ein halb Jahr alt, Papa und Ma– sagt, Papa, wenn er satt ist, und Ma–, wenn er Hunger hat. Er sieht aus wie ein kleiner Westfale, son père tout craché. Wir haben ein unmenschliches Plaisier mit ihm; geben Sie ihm auch etwas von Ihrem reichen Herzen und behalten Sie mir mein Teilchen.
    Augsburg, 15. Juni 1845

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