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Ich kann mich noch nicht daran gewöhnen, daß meine Alte fort ist

(…) Hier ist alles wohl, nur ich habe viel Trübsal gehabt: schon vom Dampfboot einen Husten mitgebracht, meine liebe alte Amme sehr kümmerlich gefunden; nach einigen Wochen brach die Brustwassersucht völlig bey ihr aus, und seitdem habe ich ein Leben gehabt, wie ich es keinem Türken gönnen möchte, Tag und Nacht das Jammern gehört, und das Elend vor Augen. Mama wollte mich umquartieren, aber die Köchin, die neben der Alten schlief, hatte einen gar zu festen Schlaf und konnte es auch der Alten nicht recht machen; so setzte ich es durch, unten zu bleiben. Es ist überstanden, aber es war eine harte Zeit, vom Ende Oktobers bis zum 23sten Februar, wo wir meine gute Alte begraben haben. Mama brachte mich gleich nach Hülshoff, denn ich war die ganze Zeit über krank gewesen und die letzten Wochen bettlägerig – schreiben konnte ich schon seit dem November nicht mehr –; dort habe ich mich in acht Tagen unglaublich erholt und bin kaum noch krank zu nennen, nur sehr schwach; ein sichrer Beweis, daß alles rein nervös war. (…)

Lieber Levin, hier in Rüschhaus kömmt es mir jetzt ganz öde vor; ich kann mich noch nicht daran gewöhnen, daß meine Alte fort ist. Ich wohne nun oben im Hause, auf dem kleinen Zimmer, vis-à-vis von Ihrem Quartier dort; in meinem Zimmer unten ist die gute Alte auf dem schwarzen Kanapee gestorben, und ihre Leiche hat da gestanden; so ist es jetzt gescheuert und verschlossen, und ich soll fürs erste nicht wieder hinein. Ich wollte, ich wäre vier Wochen weiter; jetzt liegt es mir noch sehr im Sinne. (…)

Maria Catharina Plettendorf, die Amme der Droste, stirbt am 21. Februar 1845 im Rüschhaus.

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. Durch Nettens unermüdete Pflege und Sorge erholte [die Amme] sich zwar zusehends, aber ihre Begriffe blieben doch sehr schwach und ihr Gang war so schwankend, dass sie, nur durch zwei Stöcke gestützt, langsam wie eine Schnecke sich fortbewegen konnte. Dabei verging fast kein Tag, dass sie nicht fiel oder doch dem Fallen nahe war. Du kannst Dir nun Nettens Angst denken, die sie nie aus den Augen verlor, und nachts bei jedem kleinsten Geräusch, das sie machte, aus dem Bette sprang, obschon die Köchin im Nebenzimmer schlief. Dies alles griff die Gesundheit der armen Nette so an, dass Werner einmal hier kam und sie gegen ihren Willen aus dem Haus holte. Sie blieb nun acht Tage in Hülshoff, aber was half es? Nach ihrer Zurückkunft ging das alte Leben wieder an, und sie kam endlich soweit, dass sie [den Homöopathen] Bönninghausen brauchen musste.

    An Jenny von Laßberg, 5. März 1845

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