Heinrich Straube (1794–1847) war ein Studienfreund Heinrich Heines und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift „Wünschelrute“ – vor allem aber verbindet sich mit seinem Namen bis heute ein Ereignis, das sich 1820 in Bökendorf abspielte und in der Literatur häufig dramatisierend als „Jugendkatastrophe“ der Droste bezeichnet wird.
Zusammen mit seinem Kommilitonen August von Arnswaldt war der Göttinger Student zu Gast auf dem Bökerhof, dem Gut der Familie von Haxthausen – Großeltern, Tanten und Onkel der Droste mütterlicherseits. Annette und Heinrich kannten sich bereits, sie hatten sich im August 1818 in Bökendorf getroffen. Straube hatte finanzielle Probleme, sein Vater hatte bankrott gemacht, und er konnte sein Studium nur mit fremder Unterstützung fortsetzen. Wilhelm Grimm, der mit seinen Brüdern ebenfalls häufiger Gast auf dem Bökerhof war, schrieb in einem Brief an Achim von Arnim, Straube sei
ein kleiner grundhäßlicher Kerl, der beständig lacht, dem aber jedermann gut ist. Er ist vielleicht nicht ohne Talent und hat etwas Eigentümliches; aber was er von sich gibt, ist noch sehr verworren, ohne Zusammenhang und Deutlichkeit; wahrscheinlich verderben Sie ihn durch zu große Bewunderung, gewiss aber richtet er durch seine Beiträge die Zeitung früher zugrunde, als es sonst auf dem natürlichen Weg geschehen wäre …
Annette von Droste, 23 Jahre alt, war in den bürgerlichen Straube verliebt – und fühlte sich zugleich hingezogen zum gutaussehenden Arnswaldt, dem Sproß einer hannoverschen Adelsfamilie. Arnswaldt wusste das. Er machte Andeutungen, bewegte Annette geschickt zu einem Geständnis, um ihr prompt einen Korb zu geben und zu seinem Kumpel Straube zu eilen, ihn vor der treulosen jungen Frau zu warnen. Es folgte ein vermutlich theatralischer, gemeinsamer Brief der Männer an die Droste, in dem sie erklärten, die Annäherung von Arnswaldt sei nur vorgetäuscht gewesen, um Annette zu testen; sie habe die Probe nicht bestanden, mit Straubes Gefühlen nur gespielt, und man müsse jeden Kontakt abbrechen. Der Brief vom 6. August 1820 ist anscheinend nicht erhalten, wohl aber ein für den Übermittler August von Haxthausen beigelegter Zettel von Arnswaldt:
Straube ist frei – Keiner von uns wird wohl jemals nach Hülshoff gehen – Dieser Brief bricht alles ab … es ist meine innerste feste Überzeugung, nur auf dem eingeschlagenen Wege kann gerettet werden, was noch zu retten ist … Viele Grüße von Straube – er ist ruhig und ernst wie ich. Daß wir ihn niemals verlassen!!!
Mit der ebenfalls beschworenen Diskretion war es nicht weit her, bald wusste die ganze Haxthausensche Mischpoke Bescheid, Annette von Droste mied Bökendorf für die kommenden 17 Jahre. Die Tante Anna von Haxthausen, der die Nichte ihr Herz ausgeschüttet hatte, war, ebenso wie ihr Bruder August, in die Intrige eingeweiht; sie heiratete zehn Jahre später August von Arnswaldt. Straube trat in den Staatsdienst ein, arbeitete als Anwalt in Kassel und heiratete 1824 Maria Regenbogen. Amalie Hassenpflug, eine der engsten Freundinnen Annettes, schrieb 1826 in einem Brief:
Seitdem ich weiß, dass er Nette so geliebt, tut er mir noch einmal so leid wie sonst, denn nun begreife ich erst, wie er die Frau hat nehmen können.
Als Heinrich Straube 1847 stirbt, findet man in seinem Nachlass eine Locke der Droste.