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Malchen, die „Leib- und Magen-Ketzerin“

(…) Dass Hassenpflugs schon seit Monaten hier sind, Mann, Frau und drei Kinder, weißt Du wohl schon, und Tante Dine wird dir hierüber alles so genau sagen, daß ich nichts hinzu fügen könnte, — Malchen war auch bis vor einigen Tagen hier, zu unsrer großen Freude, ist aber vor drei Tagen abgereist, sie hat mich noch beym Abschiede gebeten, Dich aufs Herzlichste zu grüßen, ich sagte ihr, daß Du es nicht hättest leiden können, daß sie Dir immer einen Handkuss geschickt hätte, sie sagte: es sei ihr so zu Mute gewesen, daß sie Dir hätte die Hand küssen mögen, darum habe sie es geschrieben. (…)

Galen habe ich nun auch öfter gesehn, er ist gutmüthig, und gewiß nicht ohne Verstand und Kenntnisse, aber ungemein schwerfällig, was vorzüglich in seinen Disputen mit Hassenpflug auffällt, der sehr gewandt im Reden ist, wo Galen, in der Regel, Hassenpflug gar nicht versteht, und überhaubt sich rein drin zudreht, was mir immer sehr unangenehm ist, da die Sache gewöhnlich unsre politischen und religiösen Ansichten und Interessen betrifft, – und wenn er fein und politisch sein will, so sieht man ihn auf zehn Stunde Weges ankommen, ich glaube daß er ein guter und fleißiger Beamter sein könnte, aber zum eigentlichen Diplomaten scheint er mir gemacht, wie die Kuh zum Reiten, — du weißt, daß unser Werner keine besondern Ansprüche auf große Gewandheit und Feinheit macht noch machen kann, und doch kannst du nicht glauben wie viel besser er sich, bey diesen Veranlassungen, ausnahm, Hassenpflug richtete, solange Werner hier war, auch gewöhnlich seine Einwürfe an ihn, weil er sehn mußte, daß Galen ihn doch nicht verstand, — Asseburgs halten ihn indessen doch für ein großes Licht, und behaupten frisch, es sei ihnen jetzt noch doppelt so lieb, daß Anna ihn geheurathet, was ihnen aber niemand glauben kann da es doch kein Spaß ist, die Tochter so mit dem ganzen Haushalt wieder ins Haus nehmen zu müssen.

(…) Tante Dorly war auch hier, sie ist jetzt, durch die erzbischöfliche Geschichte, so überkatholisch, daß sie Hassenpflugs kaum ansehn mochte, und sie immer nur „Eure Ketzer“ nannte, und Malchen „euren Leib- und Magen-Ketzer“, zum Glück merkten diese nicht viel davon, – Hassenpflugs werden jetzt wohl nicht lange mehr bleiben, ihr Aufenthalt hat sich so in die Länge gezogen, weil sie sich einige, leider vergebliche, Hoffnungen machten; deren Realisierung sie so nah glaubten, daß sie sie meinten hier abwarten zu können, jetzt, wo das aber alles ab und aus ist, werden sie nach Göttingen ziehn, sobald die Grimms ihnen dort Quartier gemietet, und die notwendigste Einrichtung gemacht haben, was sich höchstens bis Ende dieses Monats hinziehn kann (…)

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