(…) Denke nicht miserabel von mir, bestes Herz, weil ich deinen lieben freundlichen Brief mit dem mir überaus wertem Geschenke so lange unbeantwortet gelassen habe. Es ist seitdem allerlei über mich gekommen, Krankheit, Reisen, und (worüber du lachen wirst) ein wahrer babylonischer Turmbau von Geschäften. Ich sitze hier — oder vielmehr ich sitze nirgends, sondern bin in einem Rennen und Fahren, da wir genötigt sind ,unter nicht weniger als neun Orte unsern hiesigen Aufenthalt zu verteilen. Hier wohnt der Onkel Fritz, in Bökendorf Sophie und Karl, in Vörden Guido, in Hinnenburg die alten Asseburgs, in Haynhausen die jungen, in Brede Ludowine, in Herstelle Zuidtwicks, in Wehren Tante Metternich, und in Erpernburg Brenkens. Du kannst denken, wie wir gevierteilt werden! Dabey bin ich hundekrank, an immerwährenden Rheumathismus, der sich bald auf den Kopf, bald in die Glieder wirft, und nicht besser werden kann, weil es mir an Ruhe fehlt. Dieses zur Entschuldigung meines Stillschweigens, und du, liebe faule Hexe, wirst es so genau nicht mit mir nehmen, es kostet auch Mühe, bis man dich hinter die Feder kriegt.
Dein Geschenk hat mir, wie schon gesagt, die größte Freude gemacht, es ist der König meiner Autographen-Sammlung, die nichts enthält, was sich damit vergleichen könnte, und ich habe schon vielen Neid dadurch erregt, selbst Werner, der sich sonst nichts aus meinen Handschriften macht, hat jetzt dadurch Interesse dafür bekommen, und dringt darauf, daß ich die Sammlung einbinden lasse, um sie für die Zukunft zu sichern. Woher hast du denn nur das Blatt bekommen? Und an wen mag es gerichtet sein? Mich wundert nur, daß dieser, oder seine Familie, es aus den Händen gelassen haben. Doch der Profit ist für mich — beati possidentes! Glücklich die Besitzenden! …
Von Schücking habe ich die letzte Nachricht vor 6ten Juni, von Darmstadt aus, Du weißt, daß seine Verhältnisse sich so drückend gestalteten, daß es endlich zu einer Erklärung zwischen ihm und dem Fürsten kommen mußte. Das Nähere mündlich, jetzt nur soviel: daß das schlechte Beispiel und moralische Verderben leider auch seine Zöglinge ergriff, und sein Gewissen ihm nun durchaus nicht mehr gestattete zu schweigen, bey einer Unterredung mit dem Fürsten, wo er diesem die Bitte vortrug, entweder ihm mit den Knaben einen andern Aufenthalt anzuweisen, oder ihm seine Entlassung zu gewähren, war dieser durchaus nicht gereizt, sondern sehr verlegen geworden, hatte gesagt: „er wolle sich die Sache überlegen“, endlich aber doch erklärt, „da er es nicht über sich gewinnen könne, weder sich von seinen Kindern, noch von seinem jetzigen Aufenthalte zu trennen, müsse er Schückings Entlassung annehmen, obwohl sehr ungern, da er ihn achte, und wohl zu schätzen wisse“ et cet. In Folge dessen ist Schücking am 23ten Mai von Mondsee abgereist, über München nach Augsburg, von wo ihm allerdings kurz zuvor eine Redakteurstelle bey der allgemeinen Augsburger Zeitung angetragen war, hat dort sich von den Verhältnissen dieser Stelle genauer unterrichtet, ist dann über Darmstadt, von wo er mir schrieb, zu einem Besuch nach Freiligrath (St. Goar) gereist, und denkt im August seinen neuen Beruf in Augsburg anzutreten, vorläufig zur Probe, weil er seinen eignen Fähigkeiten zu dieser, fast gänzlich politischen, Laufbahn nicht sicher ist, doch hofft er, sich hineinzufinden. Es ist nicht die Redakteurstelle en chef, sondern die des zweiten Redakteurs, scheint aber doch ein gutes Brot zu sein, denn er ist sehr erfreut darüber, obwohl er in der Eil (er schreibt aus dem Gasthofe zur Traube) versäumt hat, mir den Betrag des Gehaltes anzugeben. Der ganze Brief ist flüchtig, ein wahrer Reisebrief, doch unterläßt er nicht, sich sehr herzlich nach dem „unvergeßlichen“ Meersburg zu erkundigen, und 1000 Grüße dorthin aufzutragen. Gott gebe, daß dieser Nahrungszweig ein wirklich grüner und fruchtreicher für ihn wird! (…)
Mit dem Abschreiben meiner Gedichte geht mir’s schlecht, niemand kann meine Hand lesen, ich muß alles diktieren, und da gibt’s Fehler über Fehler. Jetzt habe ich mich selbst dran gegeben, und, alles zusammen gerechnet, von Dir, mir, den Abschreibern, bin ich doch schon weit hinein. Anträge bekomme ich von allen Seiten, jetzt wieder aus Dresden, von der Redaktion des Abendblatts, d. h. als Mitarbeiterin beyzutreten „wo mir, als gewöhnliches Honorar, 3 Louisdor per Bogen genannt werden, ich könne aber drüber hinauf fordern, so viel ich wolle, es solle einzig von mir abhängen, et cet.“ (…)