(…) Adelen habe ich noch nicht schreiben können, und muß erst ihre Adresse durch die Mertens abwarten, da sie grade nach Karlsbad reiste, als ich in Bonn war, und der Mertens diese dann zu schicken versprochen. Ich werde dieser doch in den nächsten Tagen schreiben, da ich einen in Betracht der Umstände sehr langen Brief von ihr erhalten, wenige Tage, nachdem man ihren Mann, der mir in Bonn schon sehr bedenklich vorkam, auf einer kleinen Geschäftsreise morgens tot im Bette gefunden. Sie ist doch sehr erschüttert, und mit Recht, denn sie haben eine wahre Höllenehe geführt, und die Schuld stand ganz zu gleichen Teilen. Vielleicht wird sie jetzt wieder liebenswürdiger, da der wenigstens angebliche Grund zu dem ewigen innern Grimmkochen wegfällt, doch fürchte ich, es sei ihr mehr Natur, wie überhaubt das Unglück dem Menschen gewöhnlich fester angewachsen ist, als er sich selber zugeben will, und sich selten mit einem einzelnen Blocke aus dem Wege rollen läßt. (…)
Auf Veranlassung ihres Vaters, des Bankiers Abraham Schaaffhausen, heiratet Sibylle 1816 den leitenden Bankangestellten Louis Mertens. Das Paar bekommt sechs Kinder, doch die Ehe gilt gemeinhin als unglücklich - beide verbringen viel Zeit getrennt voneinander, sie auf ihrem Landgut Plittersdorf bei Bonn, er in Köln. Sibylle schart einen illustren Künstler- und Gelehrtenkreis um sich, und sie hat Affären - mit Männern wie mit Frauen. Eine von ihnen ist Adele Schopenhauer.
… ihr Hauptunglück bestand darin, keinen Mann geliebt zu haben, das gab ihr diese Wunderbarkeit der Empfindung in der Freundschaft – denn diese Art ist zwischen Frauen nicht natürlich. Sie hatte die Freundin als Surrogat des Geliebten – deshalb war sie so anfordernd, so leidenschaftlich – , und hat sie wirklich wieder dieselbe Weise für die Jameson, so möchte ich daraus behaupten, sie liebte Wach nicht und die Jameson wäre ihr der maskierte Liebhaber.
Goethes Schwiegertochter über die Verbindung von Sibylle Mertens mit dem Maler Wilhelm Wach und der Schriftstellerin Anna Jameson.