(…) Vorerst die neueste Neuigkeit (wenn sie Ihnen nicht vielleicht schon alt ist): Schücking ist hier und wird einige Zeit bleiben, um meines Schwagers Bibliothek zu ordnen. Sie denken wohl, der Gedanke sei von mir ausgegangen, aber keineswegs, obschon ich wollte, ich hätte ihn gehabt. Denn es ist ein guter Gedanke, der Schücking in ein Klima bringt, dessen seine Brust sehr benötigt war, ihm für einige Zeit Unterkommen gibt, ihn wieder an regelmäßige Beschäftigung gewöhnt und endlich ihn mit vielen nützlichen Büchern und noch nützlicheren Personen in Berührung bringt.
Jetzt muß ich Sie bitten, wenn Sie Junkmann sehn sollten, ihm einzuknüpfen, daß er der Mama ja nicht sagt, daß dieser Plan bereits im Reifen war, als wir Rüschhaus verließen. Die Sache verhält sich so: Laßberg ist ein arger Geheimniskrämer, der selbst seiner Frau erst spät sagt, was er vorhat, die dann verschwiegen sein muß wie das Grab, bis er den Moment zur Veröffentlichung angibt. Dieses ist aber ein bittrer Verdruß für meine Mutter, wenn sie sich zuweilen wochenlang abgesorgt und mit der Jenny überlegt hat und erfährt nun hintennach, daß am ersten Tage, mit Jennys Vorwissen, schon alles geordnet war. Sie verschmerzt dieses immer sehr schwer, und Jenny braucht deshalb viel Vorsicht, dergleichen Verstöße zu vermeiden.
So wußte sie (Jenny) längst, daß Laßberg dem Sch[ücking], von dem früher ich und später sie ihm manches Gute geschrieben, diese Beschäftigung anzutragen wünschte, aber sie sagte mir erst ganz kurz vor unserer Abreise davon, als grade Junkmann da war, dem ich es ohne Arg erzählte. Kaum war er fort, als sie mir strengste Verschwiegenheit einschärfte und mich dadurch nicht weniger in Verlegenheit setzte. Nachher habe ich es denn auch keinem weiter gesagt, glaubte aber doch Sch[ücking] einen Wink geben zu müssen, damit er seine Effekten, namentlich seine Papiere, so ordne, daß fremde Augen und Hände darüber kommen könnten, falls die Sache zustande käme und er von Darmstadt direkt nach Meersburg müßte. Sch[ücking] fürchtete nun, daß er daß er um den ganzen Darmstädter Aufenthalt kommen möge, worauf er sich solange gefreut, reiste deshalb schleunigst ab, um vieles früher als er vorgehabt, und war doch kaum dort warm geworden, als er den förmlichen Antrag mit der Bitte nicht zu zögern erhielt, so daß er vierzehn Tage nach uns hier anlangte.
Dieses ist die wahre und eigentliche Geschichte seiner Flucht, wie Sie es nennen, die wirklich etwas Hals über Kopf war. Da Jenny nun in ihrem Briefe nach Hülshoff nicht die Unwahrheit gesagt, aber wohl die Wahrheit umgangen und geschrieben hat, Laßberg haben den Sch[ücking] auf Veranlassung des Guten, was sie von ihm gesagt, von Darmstadt kommen lassen (so daß es aussieht, als habe sie in Rüschhaus selbst noch nicht davon gewußt), mich auch bewogen hat, in meinem Briefe an Mama meine Ausdrücke auf ähnliche Weise zu stellen, z. B. zu sagen, ich habe nichts von der Sache erfahren, bis sie zur Ausführung bereit gewesen (was allerdings wahr ist), so wäre es höchst fatal, wenn Mama hintennach erführe, daß selbst Junkmann darum gewußt und sie nicht. Ich bitte Sie also, dieses zu verhüten. (…)
Übrigens bekömmt Sch[ücking] die Luft hier überaus gut, er sieht vortrefflich aus und fühlt weder Schwäche noch Beklemmung mehr; nützliche und angenehme Bekanntschaften hat er auch schon gemacht. (…)