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Ein paar Esel von Abschreibern

(…) Wir haben jetzt eine hübsche Stapel hier, das ist doch ein Meerwunder! Jeder, der sie zum ersten Male sieht, proklamiert ihre Schönheit, und damit ist’s all, denn auf die Dauer verdümmlicht sich das Gesicht dermaßen, daß man sich prügeln möchte, sie je hübsch gefunden zu haben; und doch ist sie nicht dumm, und nur der unglückliche schläfrige Familienzug richtet alle Teilnahme zu Grunde.

Warum ich dir dies schreibe? Weil ich gar nichts anderes weiß; mir ist seit zwei Monaten nicht für eines Hellers Wert passiert. Ich habe nichts akquiriert, habe nur die ordinärsten Leute unter den ordinärsten Umständen gesehn, nicht mal ein viel besprochenes Buch gelesen, worüber ich mein Licht könnte leuchten lassen, kurz, ich habe, wie die Seelen in der Vorhölle weder Lust gehabt noch auch sonderliches Leid, außer meinen Krämpfen und ein paar Eseln von Abschreibern, denen ich habe mein Geld umsonst geben, und die Abschriften in den Ofen stecken müssen.

Jetzt steht meine Hoffnung auf ein ziemlich gebildetes Fräulein, dem ich allenfalls Intelligenz genug zutraue, nicht statt der „Rüden“ die „Räder“ bellen, und Tränen statt „in die Wimper“ in „den Winter“ steigen zu lassen. Halt meine Münsteraner nicht deshalb für dümmer, wie sie sind; niemand kann meine Pfote lesen, ich muß alles diktieren, wo dann die abgebrochenen Zeilen häufig keinen Sinn für den armen Schreiber haben, den mein manchem undeutliches Organ ohnedies hinlänglich verwirrt. Morgen kömmt die Demoiselle, geht’s auch mit dieser nicht, so weiß ich keinen andern Rat, als dem St. Matthäus seinen Engel abzuborgen, der in den fast zweitausend Jahren, wo er ihm das Tintenfaß hält, doch wohl etwas in der Literatur wird profitiert haben.

Ernstlich, der Handel ist mir sehr verdrießlich, und ich sehe ein eigenhändiges Abschreiben vor Augen, was mit der Schneckenpost gehn und mich dennoch sehr angreifen wird. Zum Glück haben Jenny und Schücking mir in Meersburg schon ein gutes Stück vorgearbeitet, säh‘ ich das Ganze vor mir, so ließ ich die Hände in den Schoß fallen, und nähm statt des Lorbeers mit der Schlafmütze vorlieb. (…)

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. Sie durchmustert alle ihre Gedichte, die in Meersburg verfertigten und die später hier gemachten, um sie zum Druck fertig zu machen; es sind wirklich sehr schöne Sachen darunter.
    An Jenny von Laßberg, 28. Mai 1843

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