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Es ist mir doch so wunderlich, daß ihr fort seid

(…) daß Schonebeck schon seit vierzehn Tagen, und drüber, tot ist, hätte ich fast Dir zu schreiben vergessen, da ich meinte, Du müsstest es schon wissen, — die Meinungen sind geteilt darüber, ob sein Tod nachteilig oder umgekehrt auf die Lage seiner Familie wirken werde — daß er am Meisten verzehrte, ist bekannt, indessen soll das Wenige von Bedung, was noch in seinen Geschäften sich erhalten, auch allein von ihm ausgegangen sein! — Gott lenke Alles zum Besten!

— Ich habe, leider, aus Jenny’s Briefe an Lotte gesehn, daß ihr vielleicht noch vier Wochen auszubleiben gedenkt — das ist doch ein bisschen sehr lange — es geht mir zwar hier übrigens recht gut, — aber es ist mir doch so wunderlich, daß ihr fort seid — zuweilen, wenn ich des Morgens so aus einem recht festen Schlafe komme, gehört, noch immer, ordentlich Zeit dazu, bis ich mich darauf besonnen habe, daß Du nicht hier bist, und Jenny eben so wenig.

Therese Stapel ist, in dieser Zeit, schrecklich mobil gewesen, – sie schrieb mir, vor einigen Wochen, ihr Vater habe ihr erlaubt, die Wachsfiguren und das Panorama zu sehn, wenn ich sie hin besorgen wolle – da wir nun, am folgenden Sonntage, nach Münster zu fahren gedachten, weil Lotte mit Josef Droste sprechen wollte, so bestimmte ich ihr, in meiner Antwort, den Samstag, wo sie her kommen, und am andern Morgen mit nach Münster (fahr)en sollte, wer nicht kam war Therese, — ich fürchtete schon, der Onkel habe meinen Brief übel genommen, der allerdings ein bisschen kurz und trocken abgefaßt war, wir waren aber, am nächsten Morgen, kaum in Münster angekommen, als sie sich einfand und, — stell Dir vor, — der Vater hatte sie schon am Freitage nach Rüschhaus abgeschickt, — sie war aber, aus eigner Macht, vorbey gegangen, hatte sich in Münster, bey der Frau Leineweber, derselben, die den Kragen für sie gestickt, — einquartiert, und war den folgenden Tag, auf ihre eigne Conduite, umhergezogen, — sie war weder bey der Tante Schilling, noch bey sonst Jemand von ihren Bekannten, außer einmahl bey Vonneguts gewesen, — Gott weiß wo sie gesteckt hat, — ich habe sie tüchtig ausgeschmält, und werde es auch ihrem Vater sagen, wenn ich ihn sehe, — nachher ist sie zu Hülshoff gewesen, – am Nachmittage regnet es, — so, daß Werner ihr anbietet die Nacht zu bleiben, — sie schreibt ein billet nach Stapel, und überrascht darauf Line mit der angenehmen Nachricht, daß sie um die Erlaubnis angehalten, ganz dort zu bleiben, bis Werner nach Münster zöge, — man hat ihr aber vorgestellt, daß das nicht gehe, und sie hat, am andern Morgen, ganz demütig wieder nach Stapel gehn müssen — sie ist, äußerlich, viel stiller geworden, aber, im Grunde, schlimmer als je, — als wir von Münster kamen, regnet es so sehr, daß sie zwei Tage bleiben mußte, – sie war mir immer unter den Händen entwischt, — und die beiden Lotten meinten, sie würde wohl auf Franz Jagd machen, ich muß gestehn, daß ich weit entfernt war, dieses zu denken, — obgleich ich sie hätte kennen sollen – nachdem ich sie aber drei oder viermal nacheinander, wenn sie unter ganz andern Vorwänden hinaus gegangen war, allemal im Pferdestall wiedergefunden hatte, schickte ich sie fort — es ist ein unglückliches Geschöpf! — Franz soll, in der Küche, erzählt haben, die Fräulein Therese habe ihm gesagt, die Zeit werde ihr hier so lang, weil keine Mannsleute hier wären et cet — was soll daraus werden!

Adieu, liebe beste Mama, ich habe Dir jetzt so ziemlich Alles geschrieben, was ich weiß, — Gutes und Böses durcheinander — ich küsse der lieben Grosmutter die Hände — ich bitte doch Alle herzlich von mir zu grüßen, — Onkel Werner, Tante Betty, Sophie — kurz alle Bökendorf er, eben so Alle zu Hinnenburg, Wehrden, und Herstelle, von

deiner gehorsamen Tochter

Nette

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