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Ich habe nur die halbe Freude an meinen Siebensachen, wenn ich sie Dir nicht zeigen kann

Du siehst, lieber Onkel, daß ich, wenn nicht allemahl, doch zuweilen, meine Versprechen halte, obgleich ich mich, dieses Mahl, meiner ungewohnten Pünktlichkeit beynahe schämen sollte, da ich der guten Sophie und dem Onkel Werner, von denen ich so schöne lange Briefe bekommen, besser schriebe, statt Deiner, von dem ich noch die erste Zeile sehen soll. —

Die ehrwürdige NUMISMATIK, unsre beyderseitige regierende Frau, hat indessen hier ihre Macht bewährt, und wird, ohne Zweifel, auch Dich hinter’s Dintenfaß bringen, wie sie mich gethan hat, – es ist, nämlich, ein bemittelter Mann hier in der Gegend gestorben, der, ohne sonst Münzsammler zu seyn, doch die, selten vorkommenden, Kronthaler der verschiedenen Kantone, wenn sie ihm im Handel vorgekommen, zurückgelegt hat, — die Erben legen keinen größeren Werth darauf als auf anderes gangbares Geld, und wollen mir soviel ich davon verlange, P. Stück zum Kronthaler, geben, da sie es doch auszugeben gedenken, — für mich verlange ich aber nichts – da ich theils, wegen der nahen Abreise, nicht so gar viel mehr ausgeben möchte, theils auch dieser Zweig nicht derjenige ist, den ich vorzugsweise zu COMPLETTIREN suche —

Ich muß aber bemerken, daß diese Münzen keine eigentliche Städte Thaler sind, — deren ist mir, aus der ganzen Schweiz, nur ein Einziger vorgekommen, den die Stadt ST GALLEN, bey einer besondern Gelegenheit, hat schlagen lassen, und der äußerst selten ist – (ich habe mir indessen doch ein Exemplar davon verschafft, obgleich ein mittelmäßiges) alle übrigen Schweizerstädte haben (so wie man mir gesagt, und bis jetzt meine Erfahrung bestätigt hat) nur im Namen des CANTONS geprägt, deshalb immer mit der Umschrift RESPUBLICA BERNENSIS, LUCERNENSIS ET CET. — von dieser Art nun sind die angeführten Münzen, doch gehören auch sie zu den seltnen, da kein CANTON eignes Silber hervorbringt, und deshalb nur Einige der reicheren, in großen Zwischenräumen, und nur sehr wenige Thaler geprägt haben, mehr zum Staat, als eine Art Schaumünzen, die aber doch CURSIREN – verlangst du lieber Onkel nun davon, so will ich dir einige der ältesten und bestgeprägten aussuchen, und Mama will dann die Auslage für dich machen, was mich selbst grade jetzt etwas GENIREN würde, – ich habe indessen
die Münzen in der grösten Eil nur so oberflächlich ansehn können, daß ich nicht ganz gewiß bin, ob nicht ein Schweizer Städtethaler drunter ist, glaube es aber nicht, so wie überhaubt nicht, daß ein andrer außer dem ST GALLNER EXISTIRT, sollte ich aber, bey nochmaligem Ansehn, dergleichen finden, so wäre das jedenfalls etwas ganz rares, und müste aus sehr früher Zeit seyn, sollte ich einen Solchen dann nicht jedenfalls für dich nehmen?

Bitte, liebster Onkel, antworte mir doch gleich, denn ich kenne die Besitzer nicht persönlich, und darf nicht erwarten, daß sie, mir zu Gefallen, anderes Geld aus ihrem Schreibtisch nehmen, wenn ihnen diese Thaler grade näher zur Hand liegen, denn die Schweizer, auch die Vornehmeren, sind so: sie laufen vier Meilen bergan, um sechs Kreuzer zu verdienen, aber umsonst strecken sie nicht den Finger aus, um dir zu zeigen, daß dein Haus brennt. – Ausnahmen giebts freylich auch hier, aber dies ist der Volkscharakter —

Ich habe hier viel römische Kupfermünzen bekommen, eine Parthie meistens gut erhaltener für schweres Geld, eine andre Parthie dagegen ganz umsonst, indessen ist auch nicht gar viel Brauchbares dabey, da sie Alle anderthalbtausend Jahr, und drüber, im Rhein gelegen, und sich dort viel blanker gewaschen haben als mir lieb ist – doch habe ich, im Ganzen, sehr viel Gutes bekommen, sogar von manchen gekrönten Häuptern wovon ich noch gar Nichts, oder Nichts in Kupfer hatte, z.b. vom MAXiMUS, SALONINA, AURELIANUS, QUINTILLUS, FLORIANUS, JULIANUS APOSTATA, CLODIUS ALBINUS, SEPTIMIUS SEVERUS, OTACILLA, JULIA DOMNA, -von den vier Ersten kann ich dir DOUBLETTEN abgeben, – überhaubt habe ich viele DOUBLETTEN römischer Kupfermünzen, auch Einige silberne – und von andren Münzen, eine ganze Parthie für dich — Kupfer und Silber, schlecht und gut erhalten, selten und ORDINAIR, wie es mir möglich gewesn ist sie zu bekommen, was schwieriger ist als ich es mir vorgestellt, da die verflixten Kantone in ihrer beständigen Verfeindung, Einer des Anderm Scheidemünze nicht nehmen, so daß du z.b. hier im Thurgau keine andere kleine Münze zu Gesicht bekömmst, als Thurgauer und Apenzeller (weil dieser der Nachbarkanton ist, mit dem sie durchaus verkehren müssen) weshalb ein hiesiges Sprichwort sagt, der Batzen gilt nur wo er geschlagen ist, ich habe deshalb, um alle Kantone zusammen zu bringen, für uns Beyde mitunter mit schlechten EXEMPLAREN vorlieb nehmen müssen, zudem schlagen einige Kantone, z.b. Zug, überhaubt fast gar nicht, und ihre Batzen werden von Schweizern selber als etwas Seltnes aufgehoben.

Die meiste, und leider vergebliche Mühe habe ich mir gegeben, von diesen kleineren Silbermünzen noch gut versilberte EXEMPLARE zu bekommen, (denn mehr wie versilbert kann man sie nicht nennen) da man in allen Kantonen seit mehrern Jahren nicht geschlagen hat, so ist mir dies nicht gelungen, weder für dich noch für mich – denn ein überjähriger Batzen trägt keine Spur von Silber mehr an sich, wenn er nicht etwa zufällig in der Sparbüchse eines Kindes ausgeruht hat, auf diese Weise sind auch die wenigen Stückchen CONSERVIRT worden die du früher von mir bekommen hast, denn ein Handwerker hatte sie zum Andenken mitgebracht und bewahrt — doch, Alles zusammen gerechnet, bringe ich Vieles zum Tauschen mit, wenn wir über Bökendorf reisen sollten, was ich bis jetzt als gewiß angesehn habe, mir aber, nach und nach, anfängt zweifelhaft zu werden, da Onkel Fritz gar nicht antwortet — weißt Du nicht, ob er Uns abholen wird von Baden oder Karlsruhe, oder sonst einem Ort in der Gegend? Mama hat ihn darum gebeten, und muß, falls er sich nicht dazu entschließt, ihren Plan über Bökendorf zu reisen aufgeben, weil es ihren Muth übersteigt, einen so weiten Weg über Land, und auf eine ihr noch ganz fremden ROUTE, ohne männliche Begleitung zu unternehmen, dann wird sie also in Strasburg aufs Dampfboot gehn, und so den Rhein hinunter bis Düsseldorf, was ihr alle Mühe erspart, aber ich denke immer Onkel Fritz kömmt noch uns entgegen — eben weil er so sehr mit der Antwort zögert, da er doch wohl denken kann, daß es Zeit für Uns wird, auf irgend eine Art unsere Maasregeln zu nehmen; es ist doch nun schon über ein Jahr daß wir von Haus sind!

(…)

Ich habe hier viele Mineralien bekommen, mehr als ich mitnehmen kann, aber im Ganzen wenig Besonderes, du glaubst nicht wie gering hier der Verkehr ist, in allen Dingen, die nicht eigentlich Handelsartikel sind, und wie schwer es wird etwas aus entfernteren Kantonen, zu erhalten, ich kann in Bonn, ja selbst Münster eher zehn Kristalle vom ST GOTTHARD bekommen als hier Einen, ja es giebt hiesige nicht sehr bemittelte MINERALOGEN, denen dies noch nicht gelungen – so dachte ich auch hier, im Vaterlande der Kristalle, Granaten, Rauchtopaße, allerley kleine Geschmuck daraus, sowohl für mich als andere, mitzunehmen, aber wo ich danach fragte, machten die Leute ein Gesicht, als ob ich einen gebratenen Engel verlangte, am Ende hieß es, »dergleichen müssen sie im Preußischen suchen, bey Elberfeld, da giebt es Schleifereyen, hier im Lande verarbeitet man Nichts der Art«, – kurz! was Dir nicht grade vor der Nase wächst, darnach darfst du nicht fragen, und hast eher Gelegenheit in Hildesheim etwas aus Rom, als hier aus dem Canton Wallis, URI, ET CET. zu bekommen, dennoch habe ich allerley zusammen gebracht, aber mühsam!

Ich denke, bester Onkel, dir jedenfalls die Früchte meines Fleißes noch in diesem Jahre zeigen zu können, selbst wenn die Bökendorfer Reise zu Wasser werden sollte, dann kommst du doch zu Uns, nicht wahr? bitte, bitte, thue es doch, ich habe nur die halbe Freude an meinen Siebensachen, wenn ich sie Dir nicht zeigen, und davon mittheilen kann, – glaub mir, ich habe noch allerley Gutes, was theils dich freuen wird zu sehn, theils auch wohl für dich selber paßt, – komm ja! – mich verlangt nach Euch Allen, aber Alle bekomme ich doch vorerst nicht zu sehn, Onkel Werner und Tante Betty sind ja im Bade, Frenzchen in Darmstadt, und Onkel Fritz wird wahrscheinlich auch in ein anderes Bad gehn, wenn er Uns nicht von Baden abholen käme, – wenn du denn doch kämst, und brächtest Sophie mit! Sophie möchte ich auch gargar zu gern sehn!

ADIEU lieber Onkel, grüße doch alle Verwandte die du siehst, herzlich von mir, ich denke mir aber du sitzest in Hildesheim, und siehst vorläufig keinen davon – Mama, Jenny, grüßen 1000mahl, – antworte mir aber doch gleich, bestes Onkelchen, wegen der Schweizer Thaler, damit ich den Besitzern Bescheid kann sagen lassen, – ADIEU, bis auf, hoffentlich,
baldiges Wiedersehn, in Bökendorf oder im Münsterlande,


deine Nette

Eppishausen, etwa Ende August 1836

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