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Nicht wahr, er ist ein guter Junge?

Zürnen Sie mir nicht, meine liebe junge Freundin, wenn ich Ihre mir so herzlich lieben Briefe diesmal nur sehr kurz beantworte. Diese Zeilen sollen keinen Brief weder bedeuten noch dafür gelten. Sie sind nur ein flüchtiges Zeichen, daß ich Sie liebe und Ihrer gedenke. Ein Gruß, ohne den ich das Paket, mit dem es, wie Levin behauptet, große Eile hat, dennoch nicht mag abgehen lassen, und vor allem eine Warnung, die Pantoffeln doch ja nicht zu schonen. Ich bin eine Person, die gern zu guten Zwecken beyträgt, und werde mit Vergnügen fortwährend den nötigen Bedarf liefern. Deshalb brauchen Sie sie, liebe Luise, brauchen Sie sie mutig und wachsam! Es werden schon neue heranwachsen. Striegeln und streicheln Sie das kleine Pferd wenigstens bis zum Zebra. Es ist zwar (um Ihnen zu zeigen, daß ich auch in anderen Zweigen der Naturwissenschaft kein Hund bin) im Grunde edles Metall, aber Sie wissen auch, wie das traktiert und mit Spitzhacke und Schüreisen noch anders gestriegelt werden muß. Ich freue mich schon darauf, Ostern in selbige Stufe hineinzusehen wie in einen goldenen Becher.

Freuen Sie sich nicht auf Ostern, Luise? Freuen Sie sich nicht auf mich? Ich freue mich ungeheuer auf Sie, und da müssen Sie schon aus Billigkeit ein übriges tun. Dann kennen Sie nachher alles, was mir lieb ist: die Meinigen, mein Zimmer, meine Beschäftigung, sogar meinen dicken, schwarzen Überrock, und vor allem meine Gedanken und kleinen Freuden, und es gibt fortan so manche Erinnerung, so unzählige Berührungspunkte zwischen uns, daß ich fürchte, der arme, kleine Junge wird nachher an Briefen zu kurz kommen. Halten Sie bis dahin die Liebe warm, die Levin in Ihnen zu mir angeregt hat, ich halte es treulich so mit der meinigen zu Ihnen.

Adie, meine teure Luise. Dies ist, wie gesagt, kein Brief, nur ein Gruß, ein ehrliches Handreichen in die Ferne. Der Brief soll in einer ruhigen Stunde nachfolgen. Gott segne Sie, mein gutes neues Kind, ebenso warm und reichlich wie den, der Ihnen der allernächste und uns beiden so wert ist. Nicht wahr, er ist ein guter Junge?

Der zunächst für Ostern geplante Besuch des Ehepaars Schücking in Meersburg findet im Mai 1844 statt.
Als Geschenk für Luise schickt die Droste ein Paar selbstgemachte Pantoffeln. Levin greift diesen Wink in einem Brief selbstironisch auf.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Luise von Gall sagt:

    Levin hat mich ja bei Ihnen eingeführt, mein liebes Fräulein, und ich komme deshalb jetzt auf meine eigne Verantwortung zu Ihnen – und zwar mit einer Bitte, mit der Bitte, meinem armen Levin doch recht bald zu schreiben.
    Es ist so traurig, dass die Welt so wenig Mitleid mit den Glücklichen hat, das heißt: mit denen, die sie für glücklich hält, und ihnen, darauf sich verlassend, alles entzieht, und nicht bedenkt, dass dieses viel gerühmte Glück dadurch einen bedeutenden Abbruch erhält und durch den Mangel an Teilnahme beinahe aufhört eines zu sein.

    Auch Sie, mein liebes Fräulein, gehören zu dieser harten Welt. Sie haben Ihrem Jungen, Ihrem kleinen Pferd noch nicht ein freundliches Wörtchen zu seiner Verheiratung gesagt, gleichsam als sei Ihnen die Frau, die er gewählt, nicht recht – das ist es aber nicht – es ist nur bei Ihnen der Gedanke: der ist jetzt in den Flitterwochen, was braucht der meine Briefe. (Habe ich nicht recht?)

    Aber da irren Sie gewaltig, mein liebes Fräulein, er braucht sehr Ihre lieben Briefe, und es würde Sie rühren, wenn Sie hörten wie oft er fragt: Warum mir nur mein liebes Dröstchen nicht schreibt?

    Von diesem meinem Briefe weiß er noch nichts, ich werde ihn aber nach Absendung eingestehen, denn eine gute Frau darf keine Geheimnisse haben. Bedenken Sie, dass wir jetzt schon zwei und einen halben Monat verheiratet sind und noch immer haben Sie Ihrem Pflegesohne Ihren mütterlichen Segen vorenthalten.

    Nun habe ich aber noch eine Bitte, und zwar eine, die mir auch gewaltig am Herzen liegt. Wie wäre es, liebes Fräulein, wenn Sie, von der Meersburg nach dem Münsterlande zurückkehrend, einen kleinen Abstecher nach Augsburg machten und uns hier besuchten? Welches Glück für meinen guten Levin! Bis Mitte April beziehen wir eine etwas geräumigere Wohnung als unsre jetzige und da würde es mich so glücklich machen, Ihnen ein Stübchen einzuräumen und Sie zu hegen und zu pflegen!

    Zum Schlusse meines Briefes muss ich Ihnen noch eine Liebeserklärung machen; das heißt, eine Erklärung meiner Liebe, die Ihnen vielleicht sonst barock und zudringlich
    erscheint, das letzte fürchte ich besonders, denn ich bin eine ängstliche Natur. Also erstens liebe und verehre ich Sie, weil Sie meines Mannes beste Freundin sind und ihm von jeher eine echte uneigennützige treue Neigung gezeigt haben; zweitens, weil ich so viel von Ihnen gehört und was Sie für eine prächtige Frau sind; drittens, weil Sie so herrliche Gedichte machen wie kein andres weibliches Wesen. Sehen Sie, ich habe drei Gründe, Sie zu lieben und zu verehren, gestatten Sie mir es also und verzeihen Sie mir die Aufrichtigkeit meiner Sprache, aber Levin sagt, man könne mit Ihnen von Herzen weg reden – und da man das so selten im Leben und mit so wenig Menschen kann, so gönnen Sie mir diese Freude Ihnen gegenüber.

    Ihr Junge ist gesund und sieht aus wie das Leben – er behauptet Sie hätten ihm besondere Befähigung zugesprochen, ein guter Ehemann zu werden – haben Sie darunter verstanden, dass er ein kleiner Tyrann ist? Wenn das ist, so haben Sie recht! Trotzdem unterschreibe ich mich aber mit fröhlichem Herzen als Ihres Levins glückliche Frau.
    Augsburg, 18. Dezember 1843

  2. Was wollte ich Ihnen nun noch in der Eile sagen? Ja, Luise ist tief gerührt über die Pantoffeln, und außerordentlich froh über Ihre Güte; sie sagt, sie hätte sich grade danach gesehnt, da sie ein Paar in unsrer kurzen Ehe schon aufgebraucht! Sie sehen, wie’s mir geht!
    Augsburg, 13. Januar 1844

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