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Adeles kranke Hände

(…) Von der armen Adele habe ich einen recht trüben Brief; sie ist noch in Bonn; Wolff, der ihr Übel immer am günstigsten beurtheilte und in einer Kur zu heben hoffte, hat jetzt leider diese Ansicht aufgegeben und schiebt sie von sich ab, wie die übrigen, dem Karlsbade zu. Ich fürchte mit ihr, daß an Heilung nicht zu denken ist, nur an Hinhalten, vielleicht Lindern, auf längere oder kürzere Zeit; es geht mir sehr nahe.

Vielleicht kömmt sie auf einige Zeit nach Rüschhaus; Mama hat sie wenigstens dringend einladen lassen, und der Umweg ist unbedeutend; ich wünsche es natürlich sehr.

Sie hat mir von eigner Hand ein wunderschön gemaltes Blatt geschickt, Randgemälde: ein Blumenkranz mit den zierlichsten Insekten durchsprenkelt, alles in Gold und brennenden Farben; es ist das Schönste, was ich je in dieser Art gesehn, und so mühsam ausführlich, daß ich mich ebenso viel darüber betrübt wie gefreut habe. Aber so lange sie ihre armen kranken Hände noch rühren kann, wird sie es für andre tun. Weiß Gott, sie hat bey einigen zwar auffallenden, aber harmlosen Schwächen doch ein großes Teil vom Engel in sich!

Auch den zweiten und leider letzten Band des selig entschlafenen Frauenspiegels schickt sie. Er ist etwas besser wie der erste, hauptsächlich durch eine ganz hübsche Erzählung von Adelen selbst, – etwas im Tieckschen Stil, wie man sie vor zwanzig Jahren würde himmlisch gefunden haben, jetzt ein wenig veraltet, doch mit guter Charakterzeichnung. Ich glaube, in Prosa könnte Adele etwas ganz Artiges leisten: beliebte Damenlektüre, von Männern freylich wenig beachtet; etwa so viel wie Karoline Pichler, doch in anderm Genre, weniger verständig, aber geistreicher. Kraft hat sie nicht, aber Geschmack, und jene minutiöse Zierlichkeit, die Frauen ebenso anziehend wie der männlichen Kritik fatal ist. (…)

Adele Schopenhauer ist an Unterleibskrebs erkrankt. Sie sucht über viele Jahre hinweg immer wieder Linderung bei Kuren in Karlsbad.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Im übrigen ist mein Zustand sehr wenig verändert in den letzten Monaten, und Mitte August gehe ich zum letzten Heilungsversuch nach Karlsbad, auf mehrere Monate. Ach Nette -reden wir nicht von meiner Gesundheit! Kommt die Zeit – so endet das Leben. Seien Sie nur gesund, und machen mir nicht auch noch mein Päckelchen Sorge.
    Jena, 4. Mai 1843

  2. Ich habe meinen Arzt gezwungen, mir aufrichtig zu sagen, wie es kommen wird, für jetzt habe ich nichts zu befürchten, werde auch noch vielleicht lange Jahre so fortleben – später droht mir die Wassersucht, und zwar Zellenwassersucht, die leichteste. … im Laufe nächsten Jahres muss ich noch einmal nach Karlsbad, um dem Übel immer die möglichen Schranken aufzurichten.
    Brief an Bruder Arthur vom 24. Dezember 1842

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