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Augendienerei

(…) Ich wollte ein paar stille, gemütliche Stunden mit Elisen und Tante Ittchen zubringen, war im ordinärsten Kostüm, dabey noch verregnet und verpluddert – an der Treppe kömmt mir E. hastig entgegen, führt mich durch die Küche ins Kabinettchen, wo mir schon der französische Caquet vom Saale entgegen schallt, und bittet mich vom Himmel zur Erde nicht umzukehren, – Gott behüte! linksum kehrt Euch! – Tante Ittchen und Nanny Scheibler werden zur Hülfe gerufen, und ich fahre endlich in den Saal, grimmig wie eine wilde Katze, unter der Bedingung, mir Niemanden vorstellen zu lassen, und kein Wort französisch zu sprechen. So pflanze ich mich, möglichst weit ab, zwischen Tante Ittchen und Nanny Sch[eibler], drehe den ganzen Abend dem Franzosen den Rücken zu, und mache zur Rechten deutsche Konversation, während er zur Linken französische – das war zuviel für einen Lion!

Mit einmahl läßt er seine Damen sitzen und plumpst wie ’ne Bombe in unser Gespräch, mit dem halsbrechendsten Deutsch. Ich geriet in eine wahre Bärenlaune, antwortete ihm nur grade das Nötigste und war aus Malice desto freundlicher gegen alle übrigen. Als die Gesellschaft aus einander gegangen war, taten E. und Tante Ittchen doch ein bisschen kleinlaut. An dem Cherouit war ihnen nichts gelegen, aber sie fürchteten seine Zunge für mich – und was geschah? hören Sie mein Urtheil! – ich sei „une veritable Dame de Qualite“, habe „l’air noble d’une reine“, habe (hört! hört!) in meiner Kleidung „une simplicite du meilleur gout“ und sei überall „la femme la plus aimable et interessante qu’il eut jamais vu“. Nichts natürlicher als das! Der Franzose war durch alle die Augendienerei bis ins Mark blasiert, ergo! (…)

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