(…) Mein Konterfei ist und bleibt Dein eigen, mein lieb Herz, nur hängt die gute Elise so sehr daran, daß sie es nicht unkopiert abgeben will, und kann doch in diesem Augenblicke keinen Maler herbeyhexen. Die Wenning verändert sehr unter dem Kopieren und ist teuer dazu; es kann aber nicht fehlen, daß bald irgend ein vazierendes[1]vazierend: dienstfrei sein, Vakanzen haben. Genie einrückt, und dann, lieber Levin, wissen Sie selbst wohl, daß mich darnach verlangt, mich, wenigstens gemalt, mal wieder recht freundlich von Ihnen ansehn zu lassen; es ist mir ganz betrübt, wenn ich denke, Sie könnten vergessen, wie Ihr Mütterchen aussieht.
Neulich traf ich bey der Rüdiger den neuen französischen Lion, M. Cherouit; das Bild wurde umher gezeigt, und Monsieur meinte, „die Züge seien da, die Seele aber fehle“. Der Mann hat sich in einem Mahle dadurch bey mir ruiniert; wollte Gott, ich sähe so edel aus wie das Bild!
Aber der geistreichste Franzose meint, Damen gegenüber zuweilen fade werden zu müssen. Dieser gute Mann, Hofmeister des Prinzen Hatzfeld, macht jetzt in manchen Kreisen Regen und Sonnenschein. Daß er sehr geliebt wird, glaube ich kaum; denn er ist scharf, sentenziös, sehr mokant[2]mokant: spöttisch, dabey ziemlich alt und garstig; aber sein Urteil, dem der feinste Geschmack zugeschrieben wird, stellt die geistige wie moralische Renommée der Damen fest, und es ist deshalb eine Ehrensache, ihm zu gefallen. Er schließt sehr vom Äußern – Stimme, Haltung, Kleidung – aufs Innere: ob zu gesucht oder zu nachlässig, zu modern oder zu altfränkisch; und ich glaube, daß keine Dame aus jenen Kreisen, bey Du-Vigneaus, Scheiblers et cet., sich mit gleicher Ängstlichkeit für einen keimenden Liebhaber putzt wie für das funkelnde Inquisitorauge des Herrn Cherouit. Nur Elise macht eine rühmliche Ausnahme, gibt sich unbefangen, wie sie ist, und wird ihm deshalb ohne Zweifel am besten gefallen (…)