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Wie sind Sie mit der Gall bekannt geworden?

(…) Jetzt habe ich Ihnen soviel vorgeklatscht, lieber Levin, daß mir kaum Raum zu viel Lieberem und Nötigerem bleibt. Vorerst: Wollen Sie nicht mal einen kleinen offnen Zettel an Elise einlegen? Einen Brief erwartet sie nicht, und wünscht ihn wohl kaum, da die Korrespondenz, wie Sie selbst fühlen, vorläufig noch etwas Peinliches haben würde, und sie durch meine Briefe viel ungenierter au courant[1]au courant: auf dem Laufenden ihrer Lage bleibt, aber dieses wäre doch eine Freundlichkeit. Zwingen sollen Sie sich indessen nicht, beengt es Sie, so lassen Sie es.

Dann eine Bitte, mein Kind, Du hast Deinen Brief zerissen, um mir das Herz nicht schwer zu machen, meinst Du, daß mir etwas schwerer auf dem Herzen liegen könnte wie die Angst ohne bestimmten Gegenstand, wenn Du mir nicht offen mehr schreibst? Ein Glück magst Du allenfalls für Dich behalten, aber Deine Prüfungen will ich teilen und mittragen, wie es einer ehrlichen Mutter zukömmt (…)

Von der Gall habe ich nichts gelesen; schreibt sie gut? Auch hübsche Briefe? Und ist’s dieselbe Dame, von der Ihnen Freiligrath mal schrieb? Schreiben Sie doch etwas Genaueres über sie; wie sind Sie mit ihr bekannt geworden? (…)

References
1 au courant: auf dem Laufenden
Levin Schücking und die Schriftstellerin Luise von Gall lernen sich im Sommer 1842 kennen - zunächst brieflich. Ferdinand Freiligrath hat den Kontakt hergestellt. Schücking und Gall schreiben sich mehrere Monate lang und verloben sich noch vor der ersten persönlichen Begegnung. Zu einem Treffen kommt es erstmals am 30. Mai 1843 in Darmstadt. Gegenüber der Droste erwähnt Schücking seine neue Bekanntschaft im November 1842 zum ersten Mal.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Ihr lieber Brief hat mich ganz außerordentlich gefreut. Aus dem wenigen, das ich von Ihnen las und erfuhr, schaut mich ein feines, zartes Seelengesicht an. … Sie sind Schriftstellerin und doch auch poetische Frau; eine seltene Vereinigung!
    Brief an Luise von Gall, September/Oktober 1842

  2. Ich möchte mir wirklich eine Braut anschnallen, die ich nie gesehen, um meine Einsamkeit mit Phantasmaorgien auszufüllen, und eine Basis zu haben, auf die ich die Kartenhäuser meiner meiner Hoffnung für die Zukunft bauen könnte. Liebster Freund, fädle mir die Sache ein… sag der Nachtigall, ich böte ihr mein Herz an … sag’s nur der Droste nicht … sie würde mich schön fenstern für solchen Leichtsinn.
    Brief an Ferdinand Freiligrath, November 1842

  3. Ferdinand Freiligrath sagt:

    Der neue Jakob

    An blauen Seen durch klösterliche Hallen
    Im fernen Oestreich wandelt ein Poet;
    Auf seiner Stirn mit ernsten Lettern steht
    Ein ernstes Wort: „Ich bin der Lieb´ verfallen!“

    Auch ist es klar, er leidet an der Gallen!
    Tief liegt sein Aug´, und funkelt nimmer stet;
    Der Lippe Bartschmuck hat er grimm zerdreht,
    Mit Zittern liest er, was wir ahnend wissen.

    Da kommt ein Brief. Rasch wird er aufgerissen,
    Die kalten Blätter glüh´n von seinen Küssen,
    Mit Zittern liest er, was wir ahnend wissen.

    Dann ruft er aus: „Sie ist die 2te Staël!
    Sei sie nun sonsten Lea oder Rahel –
    In sieben Jahren ist sie mein Gemahel!“

    Gedicht auf Freund Schücking

  4. Dass Sie die Gedichte der Droste so schön finden, freut mich außerordentlich. Die Droste war eine Freundin meiner Mutter, und ich habe an ihr eine Mutter wiedergefunden: Es gibt kein innigeres und wohltuenderes Verhältnis wie das zwischen ihr und mir … Sie brauchen deshalb nicht eifersüchtig zu werden, meine teure Braut … Die Droste wird stark in den Vierzigern sein, und sieht noch älter aus, weil sie kränklich ist.
    Brief an Luise von Gall, 11. Dezember 1842

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