(…) Ich habe wieder einen wunderlichen Brief bekommen, von einer jetzt sehr berühmten Klavierspielerin (sie unterschreibt sich „Kammervirtuosin S. Majestät des Kaisers von Österreich“), Clara Wieck, die an einen Komponisten Robert Schumann verheiratet ist, der seit kurzem durch eine Oper „Das Paradies und die Peri“ Aufsehn gemacht hat. Sie schreibt etwas ängstlich und sehr komplimentös; Ihr Mann wünsche eine neue Oper zu komponieren, sei aber mit den vorhandenen Texten und Schriftstellern nicht zufrieden und habe so oft geäußert, wie glücklich es ihn machen würde, von mir eine Dichtung zu diesem Zwecke erhalten zu können, wie er aber nicht den Mut habe, mich darum zu bitten, daß ich es ihr, als seine Frau, verzeihen werde, wenn sie unter der Hand wage, was er nicht wagen möge, da es ihr eine gar zu große Freude wäre, wenn sie ihn mit meiner Zusage überraschen könnte et cet. Der Brief war von Dresden datiert.
Ich kann mich nicht dazu entschließen, das Operntextschreiben ist etwas gar zu Klägliches und Handwerksmäßiges, obwohl es viel einbringen kann, denn bey Opern teilen Dichter und Komponist sich in die Tantieme, d. h. sie bekommen von jedem stehenden Theater, wo sie aufgeführt wird, die Einnahme der soundsovielten 5. oder 6. bis 8. Aufführung, was bey Opern, die Glück machen, auf sehr bedeutende Summen anschwellen kann. Vorerst brauche ich übrigens noch nicht zu antworten und kann mich noch bedenken (…)
Hochzuverehrende Frau,
verzeihen Sie, wenn ich so frei bin, Sie mit einigen Zeilen zu belästigen, die Sie, gnädige Frau, aber selbst durch Ihre herrlichen Gedichte verschulden, denn diese sind es, welche mir und meinem Manne so große Verehrung für Sie einflößten, und in ihm den Wunsch erregten, den ich so frei bin, Ihnen auszusprechen, wozu mir noch die Hoffnung, daß Ihnen mein Name als Künstlerin vielleicht nicht ganz unbekannt, den Mut gibt.
Vielleicht haben Sie gehört oder gelesen von meines Mannes (Robert Schumann) letzterem großen Werke „Das Paradies und die Peri“ aus Lalla Rookh von Thomas Moore, das sich einer großen Teilnahme bei mehrmaligen Aufführungen zu erfreuen hatte; jetzt hegt er nun schon seit langem den Wunsch, eine Oper zu schreiben, nur fehlte es an einer schönen Dichtung dazu, ein gewöhnliches Sujet würde er sich nicht entschließen zu komponieren, und da hörte ich ihn denn oft äußern, wie glücklich er sich schätzen würde, eine dramatische Poesie von Ihnen in Musik setzen zu können. Auf meine Bemerkung, dass er doch bei Ihnen eine Anfrage wagen möchte, wollte er sich aber nicht dazu entschließen, „da er vielleicht als Komponist gar nicht von Ihnen gekannt sei et cet.“ So unternehme ich es denn (ohne sein Wissen) und Sie verzeihen meinem Eifer gewiss gern; ich weiß, welche Überraschung es meinem Manne sein würde, könnte ich ihm Hoffnung auf Ihre Geneigtheit zu so einer Arbeit geben. Erhielte ich darüber Ihre Gewissheit, so würde mein Mann dann wohl wegen der Wahl eines Textes schon selbst zu schreiben sich die Freiheit nehmen. Ich glaube, er hat manches Sujet; wir haben viel über eine komische Oper gesprochen, „Till Eulenspiegel“, die, wie mein Mann sagte, etwas recht Tolles, Phantastisches werden müsste; auch vom König Artus sprach er, und jetzt blieben wir beim Korsar von Byron stehen, der nach seiner Meinung ein herrliches Opernbuch geben könnte.
Entschuldigen Sie denn, gnädige Frau, meine Freiheit — ein Etwas in Ihren Poesien flüstert mir zu, dass die große Dichterin auch eine teilnehmende und menschenfreundliche ist, und so empfehle ich mich Ihrem gütigen Wohlwollen Ihre ganz ergebene Klara Schumann geb: Wiek. Kammervirtuosin Sr Majestät des Kaisers von Österreich.
Dresden, 17. Juni 1845