(…) Ich hatte dies schon von mehreren Seiten gehört und konnte eigentlich nicht mehr daran zweifeln, aber Ihre Bestätigung war mir doch wie ein Donnerschlag. Ich will gar nicht von mir reden, Sie wissen selbst, was ich verliere und wie mir dabey zumute sein muß, also will ich Ihnen das Herz nicht noch schwerer damit machen, auch aus Luischens und Nannys Leben nehmen Sie den besten (fast den einzigen) Sonnenstrahl mit fort, und auch Rüdigers gerechter Kummer geht mir sehr zu Herzen. Ich weiß, mein Lies, Sie sind jetzt doppelt freundlich mit ihm, jetzt, wo er einer vollen Teilnahme und auch der Nachsicht mit sehr natürlichen Verstimmungen so sehr bedarf. Werner schreibt mir übrigens, daß man seine Versetzung allgemein bedaure und die öffentliche Achtung und Anerkennung sich sehr lebhaft ausspreche. Das ist wohl kein Trost beym Scheiden, aber doch ein erhebendes Gefühl, was, wie mich dünkt, jedem wohltun muß, wenn es gleich den Abschied noch schwerer macht. (…)
Ach Lies, sein Sie nicht so betrübt! Das ist mir das Härteste von allem. Glauben Sie mir, es wird sich alles in Minden anders und besser gestalten als Sie denken. Kein Städtchen ist so klein und von Gott verwahrlost, daß man darin nicht Teilnahme und Geistes- oder wenigstens Herzensbildung und natürlichen Sinn für das Schöne finden könnte, wenn man nur aufrichtig sucht, und mein Lies, das so geschickt im Finden ist und sich an Annchen Junkmanns frischer kunstloser Natur freuen konnte, sollte in einer Stadt, die wenig kleiner ist als Münster, leer ausgehn?
Ich wette, mein Besuch im nächsten Jahr trifft Sie in einem allerliebsten Viertel, der Ihnen vielleicht das Angenehme und hoffentlich nicht das vielfach Gespannte und Zerrissene des Münsterischen bringt. Denn, lieb Herz, diesen durfte man doch nur aus der Ferne betrachten, hinter den Kulissen sah es überall peinlich aus. (…)