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Eine Krone aus Papier

(…) Ich habe Dir schon gesagt, daß Wessenberg hier war. Seine Persönlichkeit ist jetzt weder angenehm noch bedeutend; indessen habe ich ihn zu spät kennen gelernt, da er offenbar schon sehr stumpf ist. Man sagt, er behandle Frauen gewöhnlich mit großer Geringschätzung und fast wie unmündige Kinder; mit mir hat er aber eine ehrenvolle Ausnahme gemacht, und nachdem er mir schon durch Baumbach viel Verbindliches über meine Gedichte und den Wunsch, meine Bekanntschaft zu machen, hatte zukommen lassen, trat er mir jetzt, ziemlich taktlos und geziert, mit den Worten entgegen: „Sie sind also die Dichterin! Wahrlich, Sie haben eine herrliche Ader, von seltner Kraft! et cet.“, und Du glaubst nicht, mit welcher koketten, kleinlichen Ostentation er mich den übrigen Tag, halb protegierend, halb huldigend, zu unterhalten suchte, was ihm offenbar bitter schwer wurde; denn er muß jeden fremden Gedanken einige Minuten verarbeiten, ehe er ihn kapiert, und kömmt dann hintennach mit seinem schallenden Beifalle, wenn längst von anderm die Rede ist. (…)

Kurz, ich meine, diese große Eitelkeit und die allzeit damit verbundene Kleinlichkeit und Schwäche müssen Wessenbergs Bedeutendheit doch immer sehr geschadet haben, und ich kann mich, seit ich ihn gesehen, nicht enthalten, weit mehr diese für das Motiv seiner auffallenden Schritte zu halten als irgend etwas anderes. Er hat mich, bey meiner nächsten Fahrt nach Konstanz, aufs höflichste zu Tische geladen; ich werde aber wohl keinen Gebrauch davon machen. Und doch soll ich es gestehn? doch habe ich mich bemüht, liebenswürdig und geistreich vor ihm zu erscheinen, des Rufes wegen, den er nun einmahl hat. So sind wir Menschen; wir lassen uns auch eine papierne Krone gefallen, wenn wir wissen, daß andere sie für Gold halten. (…)

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