(…) fand ich im „Morgenblatt“ mein Gedicht an Junkmann, was sich ganz gut macht; und dann füttert es seit 10–12 Tagen sein Publikum so unbarmherzig mit meiner Erzählung –– von Hauff „Die Judenbuche“ getauft –, daß alle Dichter, die sich gedruckt sehen möchten, mich verwünschen müssen; denn ich und noch ein anderer Prosaist haben vorläufig das Blatt unter uns geteilt und werden wohl in diesem ganzen Monat auch nicht ein fremdes Hälmchen aufkommen lassen.
Ich finde, daß sich meine gedruckte Prosa recht gut macht, besser und origineller als die Poesie, aber anders wie ich mir gedacht, und Dein früheres Urteil hat sich, im Gegensatz zu dem meinigen, bestätigt. Der Dialog – dem ich jetzt einsehe durch Betonung beym Vorlesen sehr nachgeholfen zu haben – ist gut, aber doch unter meiner Erwartung und keineswegs außerordentlich; dagegen meine eignen Gedanken und Wendungen, im erzählenden Stile, weit origineller und frappanter als ich sie früher angeschlagen, und ich hoffe darin mit einiger Übung bald den besten gleich zu stehn, wenigstens nach meinem Geschmacke, der freylich immer ein Privatgeschmack bleibt, aber übrigens mir nicht schmeichelt, und nur mit dem zufrieden sein wird, was ihn auch bey andern völlig befriedigen würde.
Lachst Du mich aus, impertinenter Schlingel? Wer zuletzt lacht, lacht am besten! Es wird doch etwas Tüchtiges aus mir. Aber Du mußt zuweilen per Feder nachschieben – weiß der Henker, was Du für eine inspirirende Macht über mich hast; seit ich bey diesem Briefe sitze, brennt’s mir ordentlich in den Fingern, sobald das Siegel darauf ist, wie eine hungrige Löwin über die mir zugewiesenen Stoffe – Deutschland im 19ten Jahrhundert – herzufallen, und dann, meine ich, müsse es nur so in einem Strome fortgehen: Gedichte, Lyrisches, Balladen, Drama, was weiß ich alles; das leibhaftige Eiermädchen! Wärst Du noch hier, mein Buch wäre längst fertig, denn jedes Wort von Dir ist mir wie ein Spornstich. (…)
NB. Mein Gedicht „An die Weltverbesserer“ ist auch, zuerst von der „Karlsruher Zeitung“, dann vom „Merkur“, abgedruckt worden; das macht wohl die Tendenz; oder ist es soviel besser als die übrigen? …
Den 5ten. Guten Morgen, Levin! Ich habe schon zwei Stunden wachend gelegen und in einem fort an Dich gedacht; ach, ich denke immer an Dich, immer. Doch punctum davon, ich darf und will Dich nicht weich stimmen, muß mir auch selbst Courage machen und fühle wohl, daß ich mit dem ewigen Tränenweidenaäuseln sowohl meine Bestimmung verfehlen als auch Deine Teilnahme am Ende verlieren würde; denn Du bist ein hochmütiges Thier und hast einen doch nur lieb, wenn man was Tüchtiges ist und leistet. Schreib mir nur oft, mein Talent steigt und stirbt mit deiner Liebe; was ich werde, werde ich durch dich und um Deinetwillen; sonst wäre es mir viel lieber und bequemer, mir innerlich allein etwas vorzudichten. Sobald ich diesen Brief geschlossen, gehts con furore ans Werk; ich bin wieder in der fruchtbaren Stimmung, wo die Gedanken und Bilder mir ordentlich gegen den Hirnschädel pochen und mit Gewalt ans Licht wollen, und denke Dir die Beiträge sehr bald schicken zu können, obwohl gewiß der Psalm wieder um zwei Drittel zu lang werden wird, die Du dann mit wahrer Chirurgen-Kälte amputierst.
Mich dünkt, könnte ich Dich alle Tage nur zwei Minuten sehn – o Gott, nur einen Augenblick! – dann würde ich jetzt singen, daß die Lachse aus dem Bodensee sprängen, und die Möwen sich mir auf die Schulter setzten! Wir haben doch ein Götterleben hier geführt, trotz Deiner periodischen Brummigkeit! Ob ich Dir bös bin? Ach Du gut Kind, was habe ich schon für bittere Tränen darüber geweint, daß ich Dir noch zuletzt so harte Dinge gesagt hatte! Und doch war viel Wahres darin. Aber mich vergißt Du doch nicht, was die Zeit auch daran ändern mag; wenn der eine Haken bricht, so hält der andre: Dein Mütterchen bleibe ich doch, und wenn ich auch noch vierzig Jahre lebe; nicht wahr, mein Junge? mein Schulte, mein kleines Pferdchen, was hängen alles für Erinnerungen, die nie verlöschen können, an diesen Titeln! … Levin, Levin, Du bist ein Schlingel und hast mir meine Seele gestohlen; Gott gebe, daß Du sie gut bewahrst. (…)
Hauff behauptete, Ihre „Judenbuche“ hätte ich geschrieben – der Pinsel!