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Laßberg muß versöhnt werden

(…) Ich gehe jetzt täglich ins Museum, setze mich auf Deinen Stuhl am Fenster und sehe, was das „Morgenblatt“ bringt. Vorgefunden: erstens Dein Gedicht auf die Meersburg, was mir aber schon eine schöne Verlegenheit zugezogen hat, und zwar eine wohlverdiente, da die Idee, den guten Laßberg nebst Uhland auszumerzen zwar nicht von mir ausgegangen, aber doch approbiert worden ist; und jetzt fiel es mir wie ein Stein aufs Herz: Gott, das sieht ja ganz aus, als ob Levin sich öffentlich seiner schämte, als zu unbedeutend für ein Gedicht; und nun grade im „Morgenblatt“, das Laßberg gleich vor Augen kömmt! Es währte auch nicht lange, so waren die Puppen am Tanz; von allen Seiten wurde dem alten Herrn die schmeichelhafte Nachricht von Levin Schückings schönem Gedicht auf seine Dagobertsburg zugetragen, schriftlich und mündlich; Pfeiffer, Baumbach, Stanz, die Meersburger Honoratioren: jeder wollte ihn zuerst darüber bekomplimentieren, und ich wußte mir nicht anders zu helfen, als indem ich gestand es gelesen und von der Redaktion des „Morgenblattes“ – die ja auch von Deinem „Jagdstreit“ über die Hälfte eigenmächtig gestrichen – auf eine Weise verkürzt gefunden zu haben, daß alle Strophen, die sich nicht auf das bloß Landschaftliche und Historische bezogen, ausgelassen worden. Der arme Laßberg, der so kindisch froh war, sich vor aller Welt besungen zu sehn, daß er mich fast aus dem Bette ins Museum gejagt hätte, um „das Blatt seiner Glorie“ zu holen, war, wie mir schien, fast dem Weinen nah, als er dies hörte, und sagte mit der kläglichsten Stimme von der Welt: „Wenn auf diese Art vielleicht Uhland und ich auch ausgemerzt sein sollten, so sollte mich das sehr freuen; denn ich mag nicht, daß man von mir spricht.“

Er dauerte mich ordentlich, aber ich glaube nicht, daß er Verdacht auf Deine eigne lieblose Hand hat; Jenny eben so wenig, die auch ganz grimmig auf die perfide Redaktion ist; ich weiß aber auch wirklich nicht, wo wir beide unsre Gedanken gehabt haben, da wir doch Laßberg so gut kannten und dies alles an den Fingern abzählen konnten. Um desto nötiger ist es, daß Du ihm jetzt gleich schreibst, und zwar recht herzlich. Das menschliche Gefühl geht wunderliche Wege! Laßberg fühlt sich aus Veranlassung Deines Gedichts geärgert und gleichsam beleidigt, und ich meine, davon wird immer ein kleiner Schatten auf Dich zurückfallen, wenn Du dem nicht durch einen Beweis Deiner Hochachtung und anhänglichen Erinnerung zuvorkömmst. Am besten wäre es, wenn Du das Gedicht in seiner ersten Gestalt noch einem andern Blatte, was Laßberg vor Augen oder wenigstens nach Meersburg kömmt, z. B. dem Unterhaltungsblatt des „Merkur“ oder der „Didaskalia“, gäbst; dann wäre das Unglück ziemlich repariert und allem etwa nachträglichen Verdachte vorgebeugt. (…)

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Ich weiß gar nicht, was ich dem Lewald für seine Dombausteine schicken soll: ohne Bibliothek hier, in einem großen nackten Zimmer ist es mir unmöglich, irgend einen Stoff aus der Luft zu greifen: und doch drängt Lewald. Wie geht’s Ihrer Arbeit? Von Lenau kommen nächstens die Albigenser bei Cotta in die Presse. Was macht das Morgenblatt? Hat es Ihre Novelle schon? Ich bekomme nur die Kölner Zeitung hierhin. Was haben Sie Neues aus Münster gehört und was macht der Merkur?
    Mondsee, 13. Mai 1842

  2. Ferdinand Freiligrath sagt:

    Übrigens mag es gut sein, dass ihr beide durch mich und den Fürsten Wrede getrennt wurdet. Ihr triebt Idolatrie miteinander und hattet, glaub ich, keine Kritik mehr eins fürs andere. Nun steht jeder wieder auf eigenen Füßen und wird freier und selbständiger dadurch.
    Brief an Schücking, 24. Juni 1842

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