(…) Onkel Karl war eben bey mir und erzählte mir von einem Verstoße zwischen Dir und Bökendorf, um sechs Schock Bohnenstangen. Er setzte mir auseinander, daß sechsunddreißig Schock derselben, aus den gemeinschaftlichen Forsten zum gemeinschaftlichen Gebrauche gehauen und, nur damit sie nicht gestohlen würden, sämtlich in Vörden aufbewahrt worden, und jetzt Bökendorf einen kleinen Teil derselben nötig bedurft, Du aber den Wagen leer zurückgeschickt hättest.
Ich weiß nicht, was Du, lieber Guido, vielleicht dagegen zu antworten haben magst, ob Du diesen unbedeutenden Artikel vielleicht als geschenkt, gekauft et cet. völlig meinst in Anspruch nehmen zu können. Aber ich bitte Dich, um der Liebe willen, die ich immer zu Dir
und alle den Deinigen getragen habe, wirf nicht eine so unbedeutende Kleinigkeit als Stein des Anstoßes zwischen den Frieden, der von allen gleich sehnlich herbeygewünscht wird. Fritz weiß nichts von der Sache, und Karl wünscht sie ihm zu verbergen, sowohl um deinet- als seinetwillen. Ich bitte Dich deshalb, so dringend ich bitten kann, sende die Stangen noch heute mit Deinen eignen Pferden nach Bökendorf. Es ist mir unmöglich, die Onkels in der gegenwärtigen guten Stimmung gegen Dich zu erhalten, wenn Du Dich in Kleinigkeiten so hart und ungefällig gegen sie bezeigst.
Ich gestehe, daß, in ihrer Stelle, dieser Vorfall mich selbst tief kränken würde, denn der ganze Gegenstand ist ja eine Kleinigkeit, wie kein Neffe sie seinem Onkel – zu keiner Zeit – als Geschenk abschlagen würde, wenn er ihm gefällig damit werden könnte. Wieviel weniger in einem so kritischen Augenblicke, wo gegenseitiges Wohlwollen die Basis ist, worauf nicht nur Deine eigne ruhige Stellung, sondern Dir gewiß noch Werteres, die innere Ruhe und das friedliche Alter Deiner Mutter, und der Frieden aller, die persönlich oder durch Liebe teil an diesen unseligen Spannungen nehmen, gebaut werden soll.
Bedenk, Guido, daß Onkel Fritz sehr leidend ist, daß wir ihn sehr verändert gefunden haben und grade jetzt, seit einigen Tagen, vorzüglich leidend, und nur einen Teil des Tages außer dem Bette. Bedenk, daß er jetzt gut und weich gegen Dich gestimmt ist und die Liebe zu Dir eigentlich nie in seinem Herzen erstorben gewesen ist, so gespannt ihr auch wart.
Wahrhaftig, so gern ich möchte, ich könnte mir selbst nichts zu Deiner Entschuldigung sagen, wenn Du meine mit wahrer Herzensangst ausgesprochene Bitte verwürfst. Ich fürchte, dann ist alles verloren, die Hoffnung auf Ausgleichung und Frieden und, was schlimmer ist, auf die Herstellung Deiner uns beiden so teuren Mutter und des Onkels, deren Gesundheit unter diesem wiederholten Ärger schon halb zugrunde gegangen ist. Hast Du Dir wohl je vergegenwärtigt, wie Dir zumute sein würde, wenn Onkel Fritz in diesem Jahre stürbe? und zwar an einer aus Ärger und Kummer erzeugten Art Schwindsucht? Ich will Dich weder erschrecken noch überall schwarz sehn, aber betrachte ihn selbst, was er vor einem Jahre war und was er jetzt ist.
Ich schließe den Brief, liebster Guido, mit der erneuerten Bitte und Hoffnung, daß Du tun wirst, wie ich Dich bitte, so dringend ich bitten kann, um Deinet-, um Deiner Mutter, um Deines kranken Onkels, um meinet- und unser aller willen. Deine treue Nette.
Schick aber die Stangen mit Deinen Pferden, es wäre wahrlich nicht der Mühe wert, hierüber noch einen neuen Streit anzufangen, der ebenso schlimm wäre wie der erste; und die Böckendorfer haben ja schon einmahl ihre Pferde umsonst geschickt. (…)
Abbenburg, Mai oder Juni 1845