(…) Daß Du Dir so viele, obgleich leider vergebliche, Mühe für Schücking gegeben, dafür danke ich Dir herzlich. Der arme Schelm dauert mich sehr und fängt jetzt an auch körperlich sichtlich unter seiner Lage zu erliegen. Mit den Stunden hat es keine Art, da niemand Englisch lernen will und für das Französische mehrere geborene Franzosen da sind, die man natürlich vorzieht. So muß er, gesund oder krank, auf Leben und Tod schriftstellern. Er kömmt jede Woche hier, so in Schweiß gebadet und abgehetzt, als ob er zehn Stunden gemacht hätte. Es ist traurig, ein gutes Talent und gute Gesundheit so unter seinen Augen verkümmern zu sehn. Denk doch an ihn, wenn Dir etwas Passendes in den Weg läuft, ich bitte Dich darum. (…)
Zwischen November 1839 und September 1841 besucht Schücking die Droste regelmäßig im Rüschhaus.
Einmal in der Woche kam die alte Botenfrau und brachte einen Brief, ein Paket mit durchgelesenen Büchern von Annette von Droste, worauf ich durch eine Sendung von neuem antwortete; einmal in jeder Woche auch, am Dienstage, wanderte ich nach Tisch zu ihr hinaus, über Ackerkämpe, kleine Haiden und durch ein Gehölz, an dessen Ende ich oft ihre zierliche kleine Gestalt wahrnahm, wie sie ihre blonden Locken ohne Kopfbedeckung dem Spiel des Windes überließ, auf einer alten Holzbank saß und mit ihrem Fernrohr nach dem Kommenden ausblickte.
Ich wurde dann zunächst in ihrem Entresolzimmerchen mit dem klassischen westfälischen Kaffee gelabt, ein Teller mit Obst stand im Sommer und Herbst daneben – eine kleine Streiferei in der nächsten buschreichen Umgebung des Hauses wurde dann gemacht; zu dem ihrem Bruder gehörenden alten Haus Schenking „Degening“ z. B., von wo der Pächterin ein frisches Gänseei requiriert wurde, das Annette mit einem verwegen starken Zusatz von Zucker zu einem vortrefflichen Crème verarbeitete und das verzehrt wurde im Schatten irgendeiner alten Wallhecke oder Eichgruppe. Sie führte dabei zumeist ihren leichten Berghammer bei sich, und wir kehrten selten heim, ohne dass mir alle Taschen von allerlei Kieseln und Feuersteinen und anderen Raritäten gestarrt hätten … Wenn schlechtes Wetter oder gar Winterschnee diese Streifereien unmöglich machten, flossen die Stunden nicht minder darum in Windeseile vorüber, verplaudert in dem stillen Stübchen, das Annette ihr „Schneckenhäuschen“ nannte und das so bürgerlich schlicht eingerichtet war wie möglich … Annette von Droste erzählte sehr gern und erzählte vortrefflich, und wie es bei zwei Leuten, welche von der Natur mit einem bedeutenden Organ für das Wunderbare heimgesucht waren, natürlich, wandten sich diese Erzählungen nicht selten allerlei Geschichten aus dem Gebiet des Visionären und der Geisterwelt zu…
Aus: Lebenserinnerungen, 1886