(…) Von Schücking habe ich kürzlich Nachricht, die Wirtschaft in Mondsee ist ein Greuel vor Gott, und das erste, was ihnen bey ihrer Ankunft entgegengebracht worden, ist ein neues Kind der Maitresse gewesen, worüber ein Jubel gewesen, als wäre ein Erbprinz geboren, die Prinzessin Marie, die gleich nach der Mutter Tode mit ihrem Onkel Adolph (Vaters Bruder) nach Paris gereist ist, will der Vater jetzt auch nach Mondsee in diese Wirtschaft haben, und hat deshalb geschrieben, sie hat in der Antwort flehentlich gebeten sie damit zu verschoben, worauf der Fürst ganz wütend geantwortet, „wenn sie nicht von selbst käme, würde er sie holen lassen, und zwar durch die Maitresse“, zugleich hat er ihr Vorwürfe gemacht, daß sie dieser keinen Neujahrsbrief geschrieben. Schückings einziger Trost ist die Gouvernante der kleinsten Prinzess, eine ältliche Person, die noch nicht lange dort ist, und dies Wesen eben so verabscheut wie er. Das ist alles schrecklich!
Dennoch habe ich Schücking (gegen Laßbergs Ansicht) geraten, keine Katastrophe herbeyzuführen, bis er wenigstens einige Hoffnung zu einem andern Stück Brot hat, sich aber aus allen Kräften darum zu bemühen. Ich will auch mein Möglichstes tun, und gleich morgen an Male Hassenpflug schreiben, ob Grimms (die ihn ja kennen und sehr lobten) ihm nicht ein Ämtchen bey der Bibliothek verschaffen können; auch an August will ich schreiben, auf die Gefahr hin, daß ihn der Brief nicht mehr trifft, und Tony will mit der Esterhazy (Marie Plettenberg) sprechen, ob sie ihn irgendwo in Österreich als Hofmeister rekommandieren kann, oder vielleicht selbst nehmen.
Das sind alles weitläufige Aussichten! Aber man muß sein Bestes tun und hoffen, daß Gott den armen Schelm nicht verlassen wird. Ich fürchte nur, daß die Sache mal unerwartet bricht, da ich sicher glaube, daß der Fürst Schücking im Grunde nicht ausstehn kann, da dieser sich in steifster Entfernung hält und z. B. ausgeschlagen hat, sich abends zum Tee bey der Maitresse einzufinden, hoffentlich hält’s aber noch so lange hin, bis sich irgend eine Aussicht für Schücking aufgetan hat, denn das frühere Hungern, sich halb tot Quälen, und doch in Schulden geraten ist doch auch eine schreckliche Perspektive, und hätte es noch ein Jahr gedauert, so hätte er sterben, oder wie ein Schelm aus Münster laufen müssen.
Mit meinen Gedichten bin ich bald im Reinen, und glaube selbst, daß es mir gut damit gehn wird. Sternberg strich neulich (im „Morgenblatt“) einen andern neuen Dichter gewaltig heraus, und schrieb am Ende, „kurz, seine Gedichte verdienen, denen der Frau Annette v Droste und Lenau’s würdig an die Seite gesetzt zu werden.“ Das ist ehrenvoll genug für mich, denn Lenau ist doch sehr berühmt, [am rechten Rand] und manche stellen ihn noch über Freiligrath.
[am oberen Rand der ersten Seite] Du mußt meinen Brief nur nach allen Enden umwenden, sonst übersiehst Du etwas, denn ich habe alles vollgekleckst oben und unten – ich meine besonders das andre Blatt.
[am linken Rand der zweiten Seite] Cotta hat sich gegen Schücking gar nicht abgeneigt gezeigt, meine Gedichte zu verlegen, und nur vorher das Manuskript zur Einsicht verlangt, was ich ihm schicken werde, sobald es fertig ist.
Was macht mein liebes Fräulein? Sie sind krank gewesen? Das tut mir leid; doch wer weiß, wozu es gut war. Man hört und sieht nichts vom Fräulein. Dichtet das Fräulein? Wird das Fräulein auch in diesem Frühjahre wohlriechende Knospen vom Gewürzbaume senden? Wird das Fräulein noch eher erscheinen, als die Knospen? Also fragt Freund Schlüter
Münster, 8. März 1843