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Alles nur Wind vor der Hoftür!

(…) Nun in Eil zwei Zeilen Antwort auf Ihren Brief, der mich natürlich aufs unangenehmste überraschen mußte. Ich habe ihn gestern abend erhalten, heute früh meinen Bruder herüber bitten lassen und schicke Ihnen jetzt statt aller Auseinandersetzung in die Kopie des Briefs, den derselbe soeben beendet und an Herrn Hüffer geschickt hat; wollen Sie dieselbe gefälligst vorläufig der Cottaischen Buchhandlung mitteilen, so wird die Sache dadurch ohne weitere Weitläufigkeiten erklärt und zugleich die Buchhandlung aller Sorge enthoben werden. Ich bitte, daß Sie derselben mein Bedauern über einen Vorfall ausdrücken wollen, der durch meinen Mangel an Geschäftskenntnis herbey geführt worden ist. Übrigens muß ich auch so anständiges Lehrgeld bezahlen, daß mir in Betracht dessen ein durchaus unwillkürliches und bey einem Frauenzimmer begreifliches Versehn wohl zu verzeihen ist. (…)

Es ist eine ekelhafte Geschichte, bey der Hüffern, wie mich dünkt, ein großer Mangel an Rücksicht zur Last bleiben muß, da er doch nicht zweifeln konnte, daß eine Anzeige der Sachlage und des vorhabenden Schrittes, gleichviel ob an mich oder meinen Bruder, ihm den letzteren erspart und die Geschichte weit anständiger beendigt haben würde. Es kömmt mir vor, als habe er es darauf angelegt, mich zu blamieren, weshalb weiß Gott. Ich mag nicht weitläufiger über die Sache werden, sie ist mir zu ärgerlich; sonst könnte ich Ihnen mehr als eine Äußerung von Hüffern selbst, z. B. gegen meinen Bruder, anführen, die mir die Aussage des Buchhalters, „es seien nur etwa noch 17–18 Exemplare vorhanden“ – denn dies war die genannte Zahl – als ganz glaublich erscheinen lassen mußte.

Da ich das meiner Bestimmung überlassene Honorar mit der Bemerkung, ich fürchte, ihn in Nachteil zu bringen, völlig abgelehnt hatte, so will ich gern glauben, daß Delikatesse und Schonung ihm nun seinerseits diese Versicherungen der Zufriedenheit mit dem Geschäft eingegeben hatten; um desto schlimmer ist es, daß er zuletzt so schmählich aus der Rolle gefallen ist. Genug von der Sache!

Übrigens ist mir jetzt höchst ärgerlich und drückend, daß Cotta durch meine, freylich nicht zu dem Zwecke gegen Sie geäußerte Bemerkung, „Hüffer würde mir fünfhundert Thaler gegeben haben“, zu einer Änderung des Kontrakts bewogen ist; denn seit gestern glaube ich dies selbst nicht mehr, obwohl der Freund, der ihn deshalb sondierte, mit so fester Überzeugung, die Sache sei abgemacht, zurückkam, daß er lebhaft in mich drang, Hüffern nur sofort das Manuskript einzuhändigen, wo dann der Druck sogleich beginnen solle. Ich hatte dem guten Manne keinen Auftrag gegeben und längst alle Lust am Hüfferschen Verlage verloren; so machte ich es wie die Spröden und schlug mich in einer, wie ich jetzt fürchten muß, leeren Straße.

Ach, Levin, ich bin ganz betrübt, daß alles zusammen kömmt, um mich in jedermanns – wahrhaftig, fast in meinen eignen – Augen als eine Renommistin erscheinen zu lassen, während doch, bey allem Hochmut, die Furcht, meine Verleger durch die geringe Popularität meiner Werke in Schaden zu bringen, mich nie verlassen hat. Was Hüffer eigentlich damals gesagt hat, weiß ich nicht und mag es auch jetzt nicht wissen; dem freiwilligen Unterhändler schien es eine Zusage, d. h. kein Antrag, sondern eine Äußerung seiner entschiedenen Geneigtheit, mir fünfhundert Taler zu geben, wenn ihm die Gelegenheit geboten würde. Alles wohl nur Wind vor der Hoftür!

Trösten Sie mich ein wenig, mein gutes Kind, ich gehöre jetzt zu den leider von mir so oft verlachten „verkannten Seelen“. Punktum, es ist mehr zum Hängen wie zum Lachen. Wollen Sie mich trösten, so schreiben Sie mir einen recht langen, lieben Brief, einen rechten Kleinejungensbrief an sein Mütterchen. Ist’s denn wahr oder doch wahrscheinlich, daß die Redaktion der „Allgemeinen“ von Augsburg fortkömmt und Sie natürlich mit? Es stand im „Merkur“. Und wohin würden Sie dann Ihren Stab setzen? …

Mit den Erzählungen will es nicht recht voran, ich bin noch an der ersten. Recht schöner Stoff, aber nicht auf westfälischem Boden, und nun fehlen mir alle Quellen, Bücher wie Menschen, um mich wegen der Lokalitäten Rate zu erholen; so fällt mir alle Augenblicke der Schlagbaum vor der Nase zu. Wär ich in Hülshoff! Aber hier gucken mich meine kahlen Wände an und sagen kein Wort, und von Schlütern ist nichts zu haben; der ist, seit Sie, Lutterbeck und Junkmann ihn verlassen haben, selbst hilflos wie ein Kind und weiß sich selbst nichts zu verschaffen, viel weniger andern. Hätte ich diese Erzählungen nicht versprochen – und bald –, ich ließ sie wenigstens vorläufig ruhn; nun aber quäle ich mich umsonst ab, wie ein im Traum Laufender.

Zwischendurch mache ich Gedichte; die geraten gut, ich werde sie aber zum Teile ins Cölner „Feuilleton“ geben müssen, und zwar umsonst, um eine schlechte Erzählung der Frau v. Hohenhausen flott zu machen; diese weiß aber NB. nichts davon. Die arme Frau ist sehr betrübt, hat nach vielen Kämpfen das Söhnchen ihrer verstorbenen Tochter an sich gebracht, und nach drei Wochen stirbt ihr das Kind; da kömmt nun alles zusammen, Kummer, Verdruß, Nachrede, um sie fast verrückt vor Schmerz zu machen. Die Ihrigen reden ihr zu, sich durch gemeinnütziges Wirken aufzurichten, und da hat sie nun eine Erzählung geschrieben, die fast noch langweiliger als tugendhaft ist, was hier viel sagen will.

Nun heißt’s aber: Flottgemacht! Aber wie? Da will ich denn versuchen, der „Cölner Zeitung“, die sich wiederholt um meine Mitwirkung bemüht hat, dieselbe für einige Zeit unentgeltlich anzubieten; dafür muß sie die Erzählung gegen anständiges Honorar nehmen. Das letztere der Ehre wegen, denn es wäre doch zu hart für eine früher so beliebte Schriftstellerin, jetzt höchstens umsonst geduldet zu werden; noch härter freylich, wenn sie diese kleine Intrige ahnden könnte. Deshalb, um Gotteswillen, Levin, lesen Sie dieses niemanden vor, auch Luisen nicht; es gereut mich schon durch und durch, daß ich es geschrieben habe. (…)

In der zweiten Gedichtausgabe, die 1844 bei Cotta erscheint, sind viele Gedichte erneut abgedruckt, die bereits im ersten Band von 1838 veröffentlicht waren. Weil die Auflage von 1838 noch nicht annähernd verkauft ist, stellt deren Verleger Johann Hermann Hüffer Forderungen an den Cotta-Verlag. Er beruft sich dabei auf das Preußische Landrecht, nach dem einem Verleger bei einer Zweitauflage der volle Preis für jedes nicht verkaufte Exemplar der Erstauflage zusteht. Von den 400 gedruckten Exemplaren des ersten Gedichtbandes sollen, entgegen früherer anderer Angaben von Hüffers Verlag, nur 74 verkauft worden sein. In die Auseinandersetzung schaltet sich Annettes Bruder Werner ein und erzielt mit Hüffer eine Einigung: Die Familie Droste kauft vermutlich 172 Buchexemplare der ersten Gedichtausgabe für 64 Reichstaler auf.
Die erwähnte unentgeltliche Mitarbeit bei der Kölner Zeitung soll der Schriftstellerin Elise von Hohenhausen zugute kommen, deren Erzählung „Die Gattin“ im Gegenzug im April 1845 in dem Blatt veröffentlicht wird.

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. Werner-Constantin von Droste sagt:

    Euer Wohlgeboren haben unter dem 12ten Novemb. d. J. in einem Schreiben an die Cottaische Buchhandlung sich darüber beklagt, dass dieselbe, bei der Herausgabe der Gedichte meiner Schwester, jene Gedichte wieder abgedruckt habe, welche bereits im Jahre 1838 bei Ew Wohl. erschienen.
    So sehr es mich nun auch befremdet hat, dass Ew Wohlg. Ihre Beschwerde nicht direkt an meine Schwester gerichtet haben, da nur sie allein Ihnen für den erlittenen Schaden verantwortlich sein kann, so hat es mich gleichfalls nicht wenig überrascht, dass noch 400 Exemplare der von Ihnen veranstalteten Ausgabe vorrätig sein sollen. Im Gegenteile musste ich die ganze Auflage längst vergriffen glauben, da mir Ihr Buchhalter vor länger als einem Jahre auf meine Anfrage sagte: dass der Absatz sehr gut gehe, und nur noch einige wenige Exemplare vorhanden seien. Die Mitteilung dieser Äußerung an meine Schwester, welche sich damals in der Schweiz befand, hat dieselbe zu dem Glauben veranlasst, sie sei nun wieder völlige Eigentümerin ihrer sämtlichen Gedichte, worauf sie dieselben dann der Cottaischen Buchhandlung in Verlag gab.

    Sie ist aber weit entfernt, Ew Wohl. schaden zu wollen, und stelle ich es Ihnen deshalb anheim, mir entweder Ihren Verlust zu berechnen, oder mir sämtliche noch unverkaufte Exemplare zu demjenigen Preise, zu welchem sie dieselben andern Buchhandlungen ablassen, zu verkaufen, und in beiden Fällen eine prompte Zahlung von mir zu gewärtigen. Ew Wohl. wollen die Cottaische Buchhandlung von diesem Übereinkommen in Kenntnis setzen.
    An den Verleger Johann Hermann Hüffer, Hülshoff, 28. November 1844

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