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Ärgern Sie sich nicht über meinen Papiergeiz

(…) Im Frühling gehn wir wieder nach Meersburg; ich freue mich recht darauf, dort bin ich immer viel gesünder und kann auch viel mehr und leichter arbeiten; Ruhe, poetische Umgebung und besseres Befinden wirken dann zusammen. Auch in Ihrer Nähe bin ich dann, höre oft von Ihnen und kann es vielleicht möglich machen, Sie zu besuchen und mein lieb Patenjüngelchen zu sehn – lauter Dinge, wonach ich mich herzlich sehne, aber in diesem Augenblicke lange nicht Kraft und Mut genug habe, es recht lebendig zu hoffen. Sie glauben nicht, wie konfus mich diese Lebensweise macht; ich bin so schwindlig wie eine Eule – nicht metaphorisch, sondern wirklich, körperlich; es klingelt mir seit lange fortwährend in den Ohren, und ich sehe alles doppelt. Wie würde es mich interessieren, die mir von Ihnen bezeichneten Aufsätze zu lesen; aber, lieb Kind, hierhin kommen keine Journale und auch keine Zeitungen außer der Cölner und dem Merkur; ich muß schon noch vier Wochen warten und dann in Münster jemanden aufzutreiben suchen, der mir ab und an etwas zukommen läßt.

Aber, lieber Levin, soll ich fortan alle Briefe an Sie nach Cöln schicken? Sie schreiben mir: „Bis zum 20sten ist meine Adresse Ostende et cet, Ihre späteren Briefe bitte ich nach Cöln, Adresse et cet zu schicken.“ Dazu Ihre lange Abwesenheit von Augsburg – der Plan, den Winter in Paris zuzubringen: Sind Sie vielleicht aus der Verbindung mit Cotta getreten? Bitte, antworten Sie mir doch hierauf; Sie können denken, wie es mich interessiert.

Nun habe ich noch einen Auftrag von meinem Onkel August, d. h. einen Auftrag für mich, für Sie nur eine Anfrage. Er hat mir die Hauptpunkte notiert, und ich lege den Zeddel bey, da er mir hinlänglich ausführlich scheint, um Ihnen, mit einigen Erläuterungen von mir, klar zu machen, was er zu wissen wünscht. Er hat nämlich erstens ein bereits sehr vorgeschrittenes Werk über russische Zustände unter der Feder, das Ergebnis seiner auf Kosten der Regierung gemachten Reisen in Rußland; er will es auf eigene Kosten herausgeben, in deutscher und französischer Sprache, und wünscht nun den Betrag dieser Kosten und dann ferner zu wissen, ob vielleicht Cotta oder sonst eine Ihnen bekannte bedeutende Buchhandlung geneigt sein dürfte, beide Auflagen in Kommission zu nehmen, und wie die Verhältnisse des Herausgebers zu dem Kommissionär (Prozente und sonstige Verbindlichkeiten) zu sein pflegen, oder noch besser – wenn Sie sich entschließen könnten, direkt anzufragen – grade in diesem Falle sein würden. Das Buch beschäftigt sich mit den verschiedensten Interessen, bald politisch, bald wissenschaftlich, mitunter hochpoetisch, wenn es auf die Sitten, Gebräuche, Volksglauben, Volkspoesie kömmt. Ich habe hier und dort darin gelesen; es ist gut geschrieben, nicht sehr fließend, aber lebendig und mit vielem Geist. Die Illustrationen sind unbedeutend, meistens Häuser, Geräte et cet. der verschiedenen Stämme, vielleicht ein paar Trachten, alles in sehr kleinem Format, um so an der Seite oder zwischen den Zeilen angebracht zu werden.

Dann hat August zweitens einen einzelnen Aufsatz ähnlichen Inhalts: „Über die freien Kosaken-Gemeinden“ – möglicherweise nur als Probe aus dem größeren Werke entlehnt, was ich nicht weiß und ihn jetzt nicht fragen kann –, den er irgendwo einzurücken und zu diesem Behufe die Honorare der verschiedenen bey Cotta erscheinenden Zeitschriften zu erfahren wünscht. Diesen Aufsatz habe ich ganz gelesen und daraus alles anwendbar gefunden, was ich über das größere Werk – so weit ich es kenne – gesagt.

Mit dem Beiblatt zur Allgemeinen ist’s nichts; der Aufsatz läßt sich nicht in kleine Absätze teilen, er muß in einem Stück durchgelesen werden. Desto passender scheint er mir aber für irgend eine politisch-wissenschaftlich-belletristische Vierteljahrsschrift oder Jahrbuch, nur nicht für das Rheinische, dessen Tendenz zu ausschließlich belletristisch ist. Bitte, helfen Sie ihm doch mit einiger Auskunft aus, damit er weiß, wo er sich am Passendsten hinwenden kann; Sie können mir die Antworten schreiben, oder wenn lieber ihm selbst, so ist seine Adresse in den nächsten Monaten „Bökendorf bey Brakel“ (liegt sieben Stunden von Paderborn).

Nun Adieu, liebster Levin, ärgern Sie sich nicht über meinen Papiergeiz; ich habe so gar kleine Kuverts und kann selbst keine andern machen. Tausend Liebes an Luisen; zuerst von mir, und dann von Mama. Sie wollen mich rezensieren? Ach, Sie sind gar gut, aber ich bin auch

Ihr treues Mütterchen

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