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Schücking geht zugrunde

(…) Wegen Schückings Angelegenheit bin ich noch ohne Antwort von Hassenpflug, was mich weniger wundert, seit ich weiß, daß er selbst den Seinigen zu schreiben noch nicht die Zeit hat erübrigen können, doch lange kann es nicht mehr währen, bis ich Bescheid weiß, guten oder schlimmen, jedenfalls lasse ich Schück[ing] jetzt nicht mehr im Stiche, nachdem ich mich nun einmahl der Sache angenommen. Ich darf bey den bestehenden sehr engen Freundschaftsbeziehungen zwischen Hassenpflug und unserer Familie wohl erwarten, daß Hass[enpflug] jedenfalls den Schück[ing] nicht ganz vergessen, sondern sich bey Gelegenheit seiner erinnern wird, wenn auch die gesuchte Stelle schon besetzt sein sollte; nur kömmt’s darauf an, ob er zu öffentlichen Ämtern Ausländern befördern kann oder, bey dem Zustande der Gärung in jenen Provinzen, füglich wagen darf. Gewiß ist’s, daß er sich in seiner gefährlichen Stellung außerordentlich in acht zu nehmen hat, auch in Kleinigkeiten. Doch macht mich eben sein Schweigen glauben, daß er wenigstens darüber nachdenkt, ob sich die Sache nicht arrangieren läßt, denn auf eine vom Anfange beschlossene, verneinende Antwort würde er mich nicht warten lassen, dazu kenne ich ihn.

Schlägt diese Hoffnung indessen fehl, so muß ich es von andern Seiten versuchen, und hoffe doch irgendwo durchzudringen, denn in dieser Lage geht Schück[ing] zugrunde, und seine Freunde müssen das Mögliche versuchen ihn zu retten. Leider ist es eine Zeit, wo kein Westfale in seinem eigenen Lande etwas vermag, und sein etwaiger Einfluß ist immer ein auswärtiger. Hätte mein Onkel August Haxthausen noch seine frühere gute Stellung in Berlin, so gäbe es auch dort Fäden zum Anknüpfen, jetzt aber steht er halbweg in königlicher Ungnade, uns sein Beschützer, der Kronprinz, ist selber hülflos wie ein Kind. Was ich hier geschrieben habe, dürfen Sie aber niemandem mitteilen, ich bitte darum, und es ist mir sehr viel daran gelegen. Hören Sie! Niemandem, den Grund sage ich Ihnen später mündlich. (…)

Eine halbe Stunde von hier liegt Hellesen, ein sogenanntes Vorwerk von Apenburg, was ich oft zum Ziel meiner Spaziergänge mache, weil es gerade die rechte Entfernung hat, um eine Tour daran abzulaufen, – so ein Vorwerk ist ein trauriges und doch romantisches Ding. Mitten im endlosen Felde, nichts als lange Scheuern und Stallungen, und dran gebaut zwei kleine Kämmerchen, wo zwei Knechte jahraus, jahrein, Winter und Sommer verbringen, ohne monatelang etwas zu sehn, außer dem Eseljungen und seinen Tieren die ihnen, zweymahl am Tag, das oft hartgefrorne Essen bringen, was sie dann auf ihrem Öfchen aufwärmen; das Vorwerk verlassen dürfen sie niemals, nur eben sonntags, abwechselnd, zum Gottesdienst, denn sie haben große Öconomieschätze zu bewachen. Wie schläfrig und langweilig mögen sie über die Schneefläche ausschauen nach ihrem Eliasraben! da hätte einer Zeit heilig oder gelehrt zu werden! Jetzt ist’s ganz hübsch dort, das Feld voll Leben, auf der einen Seite blökt das Vieh, auf der andern schwirren die Sensen, und eine halbgefüllte Scheune gibt mir ein Ruheplätzchen auf Heubündeln und Garben, grade wie ich’s mag.

Auch ein Gehölz gibt’s hier, genannt der Vogelsang, ziemlich weit von Hause, so hübsch in der Wildnis – was ehemals angelegt war, jetzt aber müssen Sie sich durch Dornen und Gestripp arbeiten, und stehn dann plötzlich in einem großen Rund von alten Eichen, mit einer Bank drunter, da sitzt man auch wie verzaubert; zum Überfluß steckt ein Eulennest im hohlen Baume, wo es unaufhörlich drinnen knackt und prustet – länger bis zur Dämmerung bleibe ich nie dort, denn das wird das Eulenvolk zu lebendig, und das Durchbrechen ins Freie, wo man oft in Schlingpflanzen und Dornen gefangen ist, daß man sein Lebtage nicht wieder heraus zu kommen meint, hat im Dunkeln was wirklich Grauserliches; ich glaube, man könnte sich ungeheuer erschrecken, wenn nur ein Vogel aufflatterte.

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