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Mein Mergel ist anders

(…) Ich lebe hier wie in Rüschhaus und habe sogar auch mein altes schwarzes Kanapee, auf dem ich sitze oder liege (man kann es nennen wie man will) und schreibe, meine alten Lateiner, in denen ich vor dem Aufstehn lese, und mein Frühstück auf der Stube, wie ich es gewohnt bin. (…) Wären Sie hier oder schrieben fleißig, oder hörte ich auch nur oft von Ihnen wie in Rüschhaus, so würde ich dieses Mal weniger vom Heimweh leiden als gewöhnlich, aber wie es jetzt ist, bin ich doch sehr froh, ein paar Monate hinter mir zu haben. (…)

Nächstens gibt es aber einen Feiertag im Kalender, Malchen Hassenpflug kömmt – wann weiß ich nicht genau, doch darf ich schon in den nächsten Tagen anfangen sie zu erwarten, das ist doch wohl ein Fest! – mein Schreiben wird dann sehr unterbrochen werden, freylich auf angenehmste Weise, dennoch ist es nicht gut, denn ich habe erst kürzlich angefangen, und bin eben recht im Zuge (…)

Hierbey fällt mir meine Erzählung ein. Ich habe jetzt wieder den Auszug aus den Akten gelesen,den mein Onkel August schon vor vielen Jahren in ein Journal rücken ließ und dessen ich mich nur den Hauptumständen nach erinnerte. Es ist schade, daß ich nicht früher drüber kam; er enthält eine Menge höchst merkwürdiger Umstände und Äußerungen, die ich jetzt nur zum Teil benutzen kann, wenn ich die Geschichte nicht ganz von neuem schreiben will. Vor allem ist der Charakter des Mörders ein ganz anderer, was zwar an und für sich nicht schadet, aber mich nötigt, mitunter das Frappanteste zu übergehn, weil es durchaus nicht zu meinem Mergel passen will. (…)

Die geistlichen Lieder werden, wie mich dünkt, ohngefähr den früheren gleich, doch glaube ich wird mir es immer schwerer werden, einige Mannigfaltigkeit hineinzubringen, da ich mich nur ungern und selten entschließe, einiges aus dem Texte selbst in Verse zu bringen; er scheint mir zu heilig dazu, und es kömmt mir auch immer elend und schwülstig vor, gegen die einfache Größe der Bibelsprache. So bleibe ich dabey, einzelne Stellen auszuheben, die mich zuweilen frappieren und Stoff zu Betrachtungen geben. Ich freue mich darauf, Ihnen das Fertige vorzulesen, Sie sind doch dieses Mal fast mein ganzes Publikum. Wollte Gott, ich könnte die Lieder herausgeben, es wäre gewiß das Nützlichste, was ich mein Lebelang leisten kann, und das damit verbundene Opfer wollte ich nicht scheuen, hätte ich nur an mich zu denken, aber es geht nicht! (…)

Seit 10 Juli 1839 halten sich die Droste und ihre Mutter bei den mütterlichen Verwandten in Abbenburg auf. Sie kommt in dieser Zeit aus gesundheitlichen Gründen wenig zum Schreiben, arbeitet aber u.a. an der Kriminalgeschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht und später unter dem Titel "Die Judenbuche" publiziert wird und in deren Mittelpunkt die Figur Friedrich Mergel steht.

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. Ihr Geschmack, den Sie in Betreff der geistl[ichen] Poesien aussprechen, hat meinen völligen Beifall, wie alles übrige, was Sie bei diesem Anlaß bemerken; nur lebe ich der frohen Zuversicht, daß noch einst viele dadurch mächtig gekräftigt erhoben, geleutert und heilsam erschüttert werden sollen, wie ich auch nicht im Mindesten vor Mangel an Fülle und Mannigfaltigkeit besorgt bin; was etwa so erscheinen könnte wird die Entschiedenheit des Willens und die eigentümliche Erschaffung des Gegenstands mit ihrem Verstande hinlänglich ersetzt haben, wenn anders derselbe Geist wie bisher in Ihnen fortlebt und hilft. Hierüber wie über die Novelle mündlich ein mehres.
    Münster, 30. August 1839

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