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Der Adel nimmt blutwenig Notiz von mir

(…) Ich hoffe, Cotta hat keinen Schaden an mir; wenigstens sind einige Stimmen von Gewicht für mich aufgetreten, in der „Allgemeinen“ Zedlitz (Du kennst von ihm die „Nächtliche Parade“), und jetzt schreibt mir Schücking, daß nächstens eine von Kühne (wohnt in Weimar) eingerückt werden würde. Dieser ist jetzt der berühmteste unter den Rezensenten und sehr streng, deshalb würde ich nichts besonders Gutes erwarten, aber Schücking kündigt es mir doch so vergnügt an! Man muß sehn, was es gibt!

In unserm „Merkur“ bin ich nun gar über alle Berge herausgestrichen worden und dachte sicher, es hätte ein Freund getan; jetzt weiß ich aber, wer es ist, ein schlesischer Literat, Kynast, der sich seit einigen Wochen in Münster aufhält. So habe ich wenigstens, was mir zuteil wird, von keiner Seite persönlicher Vorliebe zu danken. In Berlin scheinen die Gedichte sehr gut fortzukommen; Onkel Fritz sagt, August habe geschrieben, sie machten dort Furore. Du weißt aber, wie August die Taschen immer voll Mandeln und Rosinen hat, und ihm wird auch jeder das Beste darüber sagen; doch scheint’s jedenfalls gut zu stehn, wenn man auch zwei Drittel subtrahiert.

Wie es hier steht, weiß ich nicht recht. Die Preußen sind allerdings auf meiner Seite, aber das sind arme Teufel, die sich ein Exemplar durch die ganze Stadt umleihen, und somit wenig profitabel für Cotta, und der Adel nimmt, wie ich glaube, noch immer blutwenig Notiz von mir und liest überhaubt niemals Gedichte.

Doch sind die in allen Buchhandlungen hier noch vorhanden gewesenen Exemplare bereits vergriffen, aber die Herren haben wahrscheinlich auch miserabel wenig kommen lassen, z.B. Deiters, wie ich weiß, nur acht Exemplare. Indessen wird wenigstens Coppenrath wohl einen größeren Vorrat gehabt haben, da dieser das Buch als bey ihm in Niederlage angekündigt hatte. Man muß abwarten, wie früh oder spät eine zweite Auflage nötig wird; dies ist der einzige Probierstein, der nicht täuschen kann. (…)

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. Joseph Christian von Zedlitz sagt:

    Wir gestehen offen, daß wir im allgemeinen keinen großen Geschmack an den lyrischen Ergüssen weiblicher Rhapsodien finden … Es fehlt diesen Dichterinnen das meiste, was zu echter Poesie gehört … In Annette von Droste besitzt Deutschland eine Dichterin, der kein Erfordernis wahrer poetischer Begabung fehlt. [Ihre Gedichte] sind vollkommen weiblich in ihrem Kern, in ihrem Wesen, und doch dabei mit der männlichen Kraft des Ausdrucks gepaart. … Horchen wir, wie tief und echt der Herzschlag ist, der diese Gedichte belebt, dann fühlen wir bald, wie entfernt diese Sentimentalität von dem weichen Gefühlsbrei und der affektierten Zerrissenheit ist, die so viele Gedichtsammlungen unserer Tage, zumal weibliche, völlig ungenießbar machen.
    Allgemeine Zeitung Augsburg, 26. November 1844

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