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Ich werde gelesen – aber auch gekauft?

(…) Hierbey fällt mir Hüffer ein; hören Sie, wie es mir mit dem gegangen ist! Er antwortete sehr höflich, daß er keineswegs den Ladenpreis verlange, sondern sich als meinen Kommissionär ansehe und neben Druck- und sonstigen Kosten nur gewiße Prozente – ich weiß nicht mehr wieviel – nehmen werde. Die Bücher kamen an – es waren statt 300 nur 172 – dabey die Rechnung, und diese machte, trotz der minutiösesten Berechnung, nur 63 Taler; im Laden kostete das Buch 25 Silbergroschen. Die Auflage war 500* Exemplare stark. Hüffer hat also 328 Exemplare verkauft und dafür 272 Taler eingenommen; so war er doch längst wieder zu seiner Auslage oder vielmehr hatte schon entschiedenen Profit gehabt, was mir sehr tröstlich ist. Denn die 63 Taler waren bey weitem nicht die Druckkosten für die 172 Exemplare; das krümelte sich so zusammen, seine Abzüge für den sämtlichen Verkauf, Porto – die ganze Pastete lag in Leipzig – et cet. Werner hat ihn auf der Stelle bezahlt, und nun, bitte, wenn Sie mich lieb haben, reden Sie gegen niemanden darüber; die Sache ist und bleibt mir schimpflich, und hier in Münster weiß, glaube ich, niemand darum.

Nun sagen Sie mir doch auch, wie es dem Cotta mit dem Verkaufe meiner Gedichte geht! Hier in Münster werden sie, gegen meine Erwartung, sehr stark gelesen; ob gekauft, ist eine andere Frage, und ich weiß darüber nichts zu sagen. Es ist leider münsterische Manier, sogar bey den reichsten Leuten, sich auf das Leihen zu verlassen und, selbst wenn sie sehr begierig auf ein Buch sind, ganz naiv zu sagen: „Ich habe mich schon jahrelang um das Buch bemüht und kann es noch immer nicht bekommen“, während es in allen Läden am Fenster steht. Auch jetzt haben mir ein paar sehr vornehme und reiche Damen geklagt, daß ihre Exemplare von all dem Ausleihen schon ganz zerlumpt wären, und meinten mir noch ein Kompliment damit zu machen, während mir doch Cottas wegen ein Stich durchs Herz ging. Doch höre ich auch ab und zu, daß jemand sie gekauft oder geschenkt bekommen hat.

NB. Ich erhielt vor etwa sechs Wochen einen zuerst an die Cottaische Buchhandlung gekommenen und dann von Ihnen richtig adressierten Brief aus Paris; der hat Sie gewiß neugierig gemacht. Er war von einem gewißen Theodor Klein, einem poetischen Dilettanten, wie mir scheint – denn er spricht von seinen „Geschäften entübrigten Stunden der Muße, in denen er sich mit Poesie beschäftigt“ – dem „im Gewühle der Weltstadt, wo er seit Jahren zu leben gezwungen ist“, meine Gedichte zu Händen gekommen sind und ihn zu einliegenden Strophen begeistert haben, in denen er mir den unverwelklichen Lorbeer aufs Haupt setzt. Das Gedicht war mittelmäßig, d. h. so, wie man es vor fünfzehn Jahren würde allerliebst gefunden haben, der Brief etwas schwülstig, aber doch rührend durch sein offenbar vom Herzen kommendes Gefühl und eine große Nüchternheit. Er hatte seine Adresse fast unleserlich klein und verstohlen beygefügt; ein paar freundlich anerkennende Zeilen würden ihn gewiß ungeheuer gefreut haben, und da es mir nach einigen Ausdrücken schien, er müsse ein Westfal sein, war es mir fast leid, daß ich ihm diesen unschuldigen Spaß doch nicht machen konnte. Hätte ich nur irgend etwas über ihn gewußt, so hätte ich es vielleicht getan.

Hier im „Merkur“ erschien mit einem Male auch eine Rezension meiner Gedichte, so ungemein parteiisch, daß ich mich schämte und meinte, nur Schlüterchen könne so blind sein; sie war aber von einem Schlesier, einem gewißen Kynast, der seit vier Wochen als Assessor nach Münster gekommen und gleich für mich ins Geschirr gegangen war. Ich habe ihn nachher einmahl gesehn und gesprochen, einen seltsamen, heftigen Menschen, der vor Aufgeregtheit zitterte wie Espenlaub. Sie schrieben mir früher, Kühne werde noch eine Rezension in die „Allgemeine“ rücken; hat er es ausgeschlagen, oder ist sie so unvorteilhaft, daß Cotta sie nicht hat einrücken wollen? Wenn das Letztere ist, so sagen Sie es mir doch; ich sehe gern klar und kann es ganz wohl tragen. Ich fürchte mich jetzt – in literarischer Hinsicht – vor nichts als vor unrichtigen und törichten Ansichten in Betreff meiner Erfolge; das hat mir zuviel Beschämung bey Hüffer eingetragen. …

Von Adele weiß ich nur, daß sie in Rom bey der Mertens ist; ich habe leider – durch eigne Schuld, denn ich hatte ihren letzten vor anderthalb Jahren erhaltenen Brief nicht beantwortet – ihre Adresse nicht, weiß sie auch nirgends zu bekommen und hörte doch so gern mal wieder von ihr. Diese Nachricht habe ich durch meine Cousine in Bonn. Wie schnell doch in diesen umtreibenden Zeiten alles auseinanderstäubt! Adele hat zehn Jahre in Bonn gewohnt, ist erst seit vier bis fünf Jahren fort, und schon gibt’s dort keinen ihres früheren Kreises mehr, bey dem ich nachfragen könnte. Auch die Mertens hat ihre Haushaltung auseinandergehn lassen und ihr Haus zum Verkauf ausgesetzt, ebenso ihr Gut Plittersdorf, ihr früheres bijou und Herzblatt, wo ich sie so manchen Tag habe selbst im Garten arbeiten sehn; wahrscheinlich denkt sie ganz in Italien zu bleiben.

* Eben fällt mir ein, daß ich dem Hüffer eine Auflage von 500 Exemplaren erlaubt habe, jedoch nicht sicher weiß, ob er sie gedruckt hat, meine dies aber doch gewiß. In der Berechnung hat es wohl gestanden, die habe ich aber nicht zur Hand. (…)

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