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Die elendeste Geistergeschichte, die mir seit lange zu Augen gekommen

Ich schreibe dir, liebstes Thereschen, eigentlich bloß, weil ich es dir in meinem vorigen Briefe angesagt habe, damit du dich nicht beunruhigst, wenn nichts ankömmt, denn eigentlich hatte ich mich versehen in meiner Angabe und hätte dir erst am folgenden Sonntage schreiben müssen, jetzt aber wollen wir diese Ordnung fortsetzen, und du schreibst mir, Sonntag am Zweiten, und ich erst wieder am Neunten, den Sonntag drauf, –

Wir leben hier so still fort, und es geht sehr wenig vor. — Phine Droste wird nicht kommen, weil ihre Mutter nach Bonn gereist ist, um für ihre Augen den Professor Walter zu gebrauchen, sie muß also ihrem Vater Gesellschaft leisten, und Haus halten, — was sagst du zu Letzterem? — ich glaube indes, daß sie es wirklich zu tun meint, —

Onkel Max hat mir wieder ein ganz dickes selbst verfaßtes und obendrein eigenhändig für mich abgeschriebenes Werk über den Generalbaß geschenkt, — sag um Gottes willen, was soll ich für ihn wieder tun! — ich hoffe hierbey, und das ist mein bester Trost, auf meine zukünftige Kunst im Sametmahlen, ich denke, wenn ich mich ein paar Wochen tüchtig übe, es doch so weit gebracht zu haben, daß ich so einen Tabaksbeutel ganz reputirlich zusammen schmiere, — Das ist im Augenblick fertig, und wird für mehr geachtet, als ein mühsam in Perlen Gestrickter oder Gestickter: — Ich würde dir auch rathen der Grosmutter etwas in der Art zu verfertigen, wo möglich, so lange Jenny da ist, es könnten dir doch sonst jetzt noch sehr leicht Fehler in dem Umriß oder der Farbengebung unterlaufen, wo du dir nicht zu helfen wüßtest, und dein lieber Vater würde dir trotz seiner Geschicklichkeit im Mahlen, doch hierin wegen der vielen Kleinigkeiten, die nur beym Sammtmahlen vorkommen, z.B. dem Auslaufen, dem Pappen, — nicht gehörig beystehen können.

Wenn ich Grosmutter schreibe, so meine ich die zu Hamm, die zu Bökendorf kennt und hat schon vieles in der Art; und achtet auch dergleichen Talente, wie es scheint, nicht sonderlich. — Desto mehr die Andre, der das Geschenk selbst bey weitem nicht so viel Freude machen würde als deine Geschicklichkeit, die sie freylich viel zu hoch anschlagen würde, aber das ist der alten Frau wohl zu gönnen, es wird ihr doch ungeheure Freude machen, — wenn dort in eurer Gegend gute Papparbeit gemacht würde, so kamst du am wohlfeilsten und dabey sehr elegant davon, mit einem Pappkästchen, worauf das Gemahlte unter Glas liegt. – wenn das anginge, so wollte ich dir mit der ersten besten Gelegenheit, deren ich schon eine auskundschaften will, von dem schönen Papier, was du wohl kennst, schicken, ich habe noch davon, und du wirst dort schwerlich so Hübsches auftreiben. – Über die Post aber würde es bey seiner Dicke zu teuer werden. –

(Am) vorigen Mittwoch war ich bey Bürgermeisters, der Bürgermeister (und Nitte)l waren nicht zu Hause, – ich trank Thee, und wir Frauen (Lücke im Ms.) vertrieben uns die Zeit wirklich ganz behaglich. – am folgenden Tag kamen sie wieder, – Jenny und Nittel am Morgen, und Lisette holte sie am Nachmittage wieder ab, – das edle Brautpaar war im höchsten Grade beklemmt und einsilbig, ich gab mir alle Mühe sie aufzutauen, sie mußten brav Obst schütteln (Nittel nämlich,) bey Tisch selber vorlegen, et cet. alles nur um sie etwas freier zu machen, es gelang mir endlich, und der Tag ging ziemlich angenehm vorüber, — (Tony und Elise waren mit Papa zu Münster) den Nachmittag wurde von Vorlesen geredet, und Jenny äußerte sich, es würde sie freuen, wenn vorgelesen würde, ich wollte Nittel dazu kriegen, aber er war zu blöde, und es blieb auf mir sitzen, – Jenny wünschte eine Kalendergeschichte, — Elise hatte Jennys Zimmer verschlossen, und ich konnte nur zu einem höchst elenden Kalender gelangen, ich fing eine Geschichte an, die ich noch für erträglich hielt, aber je weiter ich kam, je mehr schämte ich mich des wenigen Guten, was ich davon gesagt hatte, ich hätte gern aufgehört, aber das Brautpaar hörte mit der größten Spannung zu, und war, als ich geendet hatte, entzückt von der herrlichen Dichtung. — Es war die elendeste Geistergeschichte, die mir seit lange zu Augen gekommen, – überhaubt ist mir seit gestern, Nittels von uns so oft besprochene Liebe zu Jenny völlig klar, er ist wirklich um wenig oder Nichts mehr als sie, und wir haben uns durch das Ausländische und den Studententon anführen lassen (..)

Mein infames Pferd hat, ebenfalls vorgestern, den Kutscher gewaltig geschlagen, er ist gestürzt, und hat sich auf einem behaunen Steine die ganze Backen, queer über, bis auf den Knochen, durchschnitten, ich schickte sogleich zum Doktor, und zwar, da Papa nicht zu Hause war, keineswegs zum edlen Liebling Goosmann (…)

(am oberen Rand der ersten Seite) Was ich dir da von dem Sammtmahlen für deine Grosmutter geschrieben habe das ist nur so ein Einfall, vielleicht finden es deine Eltern so äußerst überflüssig, daß es ihnen unangenehm wäre.

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