(…) Nun aber zu dem, was du mir von Straube schreibst [Lücke im Manuskript] sehr betrübt, aber, wie Ossian sagt, „eine Geschichte vergangener Zeiten“; ich weiß wohl, daß Straube damals sehr herunter gewesen ist, aber jetzt ist er längst wieder besser und nach Werners Aussage gewöhnlich sehr munter und witzig; was Anna mir schreibt, daß er noch schwach wäre und nach einem Balle leicht Kopfweh bekäme, so finde ich das sehr natürlich, wenn er die ganze Nacht getanzt hat.
Zudem hat mir Werner gesagt, daß er gar keinen Wein vertragen könnte, aber doch sehr gern tränk, und bey allen Festivitäten jedesmal ein Rauschgen und am folgenden Tage einen gewaltigen sogenannten Katzenjammer bekäme, das ist also die Schwäche nach dem Balle.
Ich bitte euch, warum wollt Ihr mir durchaus das Herz weich machen mit allerhand Unwahrheiten — von Anna begreife ich das wohl, weil sie selbst ein liebendes gereiztes Gemüth hat und auch meine eigentliche Stimmung in der Sache nicht kennt. Eben deshalb habe ich ja Dir den Auftrag gegeben, mir die Lage der Dinge zu berichten, wie sie ist, und Du hast mir strenge Wahrheit versprochen.
Wenn Straube auf dem Wege ist, sich zu trösten, so ist das gewiß sehr gut, und auf den Fall wäre es eine grausame Nachsicht, wenn er noch ferner durch Anna etwas von mir erführe. Sollte das so sein, so rathe ich, ihm auch mein Buch nicht zu geben, denn das wird ihn gewiß auf lange Zeit wieder zurücksetzen. Anna könnte sagen, ich hätte mich gefürchtet, es euch mitzugeben. Sollte er es aber schon haben, so müsste er wenigstens von jetzt an nichts mehr von mir hören.
Bedenke es nur selber — er kann jetzt im Jahr und Tag eine Anstellung bekommen, lassen wir ihn jetzt ordentlich in Ruhe, so hat er vielleicht gegen dem, daß er Brod für eine Frau hat, auch die Lust eine zu nehmen. Und wie schön und tröstlich wär das nicht, wenn er in ein paar Jahren ein recht glücklicher Gatte und Vater wäre! So lange er aber immer von mir hört, kann er es schon ehrenshalber und aus Scham vor Anna nicht.
Ich bitte dich, Therese, sey hierin aufrichtig, verbirg‘ mir nichts, und lass uns bey dieser Gelegenheit, wo es auf das Glück eines Menschen, und eines uns allen so theuren, ankömmt, alle romantische Ideen beyseite setzen und ganz prosaisch untersuchen, was, nach der Erfahrung, Zeit und Entfernung über die Liebe zu einem Gegenstande, den man nicht achtet, und wo man sich drüber hersetzen will, vermögen. Denn das ist gewiß, daß Straube selbst einsieht, daß er sich drüber hersetzen muß, und nur durch Nachrichten von mir daran gehindert wird, das leuchtet auch aus allen Briefen von Anna hervor.
Sey aufrichtig, liebe Therese, und berichte mir den wahren Stand der Dinge. Wenn er ohne Schaden seiner Gesundheit die Nachrichten von mir bereits noch nicht entbehren kann; so will ich noch ferner schreiben, an Anna, aber sonst nicht. Wir würden uns ewig Vorwürfe machen müssen, wenn er durch unsere Schuld sein ganzes Leben lang nicht glücklich würde — laßt uns doch das arme süße Herz nicht durch falsche Schonung unglücklich machen.
Ich muß und darf von ihm hören, denn mich interessiert jedes Wort, was ihn angeht, aufs lebhafteste, und ich bin sehr gefaßt und jetzt auch gesund. Er lebt in meiner Seele mit einer stillen heiligen Wehmut, die mich durch mein ganzes Leben begleiten wird, aber das ist auch etwas anderes, ich habe ihn zur Zeit, wo er mich verachten mußte, erst recht achten gelernt. Um meiner selbst willen — aus Furcht, daß ich wieder ähnliche Streiche anfing, brauchst du mir die Sache nicht ärger zu machen, wie sie ist. Davon bin ich für immer geheilt. Ich habe dir ja auch zudem meine Hand darauf gegeben (…)