(…) An Vergnügungen ist diesen Winter schwerlich zu denken, wenigstens für den Adel, von dem ein Teil bereits sich gegen alles dergleichen erklärt hat. Freilich gibt es noch junges Volk, was sich die Haare darüber aus dem Kopfe reißen möchte; indessen die Papas werden wohl dieses mal die Oberhand behalten. Deshalb bleib nur zu Hause, meine liebste Sophie, Du kömmst doch nicht zum Tanzen, zudem da hier jedermann mit dem Erz[bischof] verwandt oder sehr bekannt ist, unsre Herrenwelt selten zusammen, sondern bald der eine, bald der andere dort, und die noch nicht da waren, haben es größtenteils noch vor (…)
Es ist eine wahre Adelswanderung und wird wohl ganz die Runde gehn. Du glaubst nicht, welchen Eindruck die neuesten Begebenheiten auf die mittlere und geringere Bürgerklasse gemacht haben. Es ist wirklich arg, daß man sich kein Paar Schuh kann anmessen lassen, ohne eine ganze Tracht Politik mit in den Kauf zu nehmen. Diese Stimmung übertrifft weit alles, was ich früher in der Art erlebt habe.
Die Geistlichen, welche sich durchgängig wohl Mühe geben, die Gemüther zu beruhigen, klagen, wie schwer es ihnen werde und wie es sogar das Volk so mißtrauisch mache, daß sie allen Einfluß darauf verlören. (…) Der Erz[bischof] soll allen, die ihn besuchen, es zur ausdrücklichen Bedingung machen, weder von politischen noch kirchlichen Gegenständen mit ihm zu reden; das ist schön und verständig von ihm, kann aber der allgemeinen Stimmung nicht steuern. Fast jeden Morgen muß die Polizei zur Hand sein, um die Plakate abzureißen. Die Geistlichen unterstützen sie darin, und Kellermann hat selbst schon mehrere Plakate von der Kirchentür abgerissen.
Es ist oft die Rede von öffentlichen Fürbitten in den Kirchen; das Volk dringt heftig darauf, sowohl mündlich und einzeln, so wie sie nur jemanden können zu fassen kriegen, von dem sie denken, er könne etwas dazu tun, als auch durch Plakate. Die Geistlichkeit nimmt aber noch keine Notiz davon, obgleich ich nicht einsehe, was für ein Skandal darin liegen sollte, um glückliche und friedliche Beendigung einer so bösen Sache zu bitten.
Die Polizei benimmt sich sehr klug und weiß alle kleinen, unangenehmen Vorfälle so zu unterdrücken, daß sie nur durch zufällige Zuschauer bekanntwerden. So haben gestern Studenten oder wahrscheinlicher Gymnasiasten (denn Studenten gibt es hier ja kaum) die kindische Frechheit gehabt, beym Herausdrängen aus der Schule einen Offizier zu insultieren, und als einige auf der Stelle deshalb arretiert worden, haben ihre Kameraden sie sogleich befreit. Niemand redet davon, denn fast keiner weiß es, doch habe ich es von einem Augenzeugen.
Der Oberpräsident und die Preußen überhaubt sind sehr verdrießlich über die schlechten Aussichten für die Winterlustbarkeiten. Bei der Hochzeit der Tochter des Oberpräs[identen] vor etwa 14 Tagen ist keiner vom Adel erschienen. … Was Du von den Hermes[ianern] meinst, ist unrichtig; der Erz[bischof] hat keine Feinde mehr unter den Katholiken. Ich rede von jenen, die sich in dieser Sache namhaft gemacht haben; was einzelne verdrehte Landkapläne und Seminaristen denken mögen, weiß ich nicht.
Ich glaube, daß die Entrüstung jener Leute aufrichtig gemeint ist, obgleich die Regierung sie durch die Verbindung mit ihrer Sache mit andern Dingen so an den Pranger gestellt hat, daß ihre Ehre ihnen keine andere Wahl ließ. Soviel ist gewiß: dieser Schlag auf den Erzbischof in dieser Form hat sie mehr gekränkt als alles, was ihnen vorher geschehn.
Doch man wird hier vieles nicht gewahr, fast alle fremden Zeitungen bleiben aus, namentlich die „Gazette de France“, das „Journal des débats“, die „Temps“ und die „Würzburger Zeitung“, doch sollen Auszüge aus letzterer in der „Hannöverschen Zeitung“ zu finden sein. Die „Augsburger Zeitung“ erscheint; es soll ihr von ihrer Regierung untersagt sein, Artikel über diesen traurigen Gegenstand aufzunehmen. (…)
… ich komme soeben aus der Kirche, und muß dich in der Eil doch nach der Geschichte des Erzbischofs fragen, schreib uns doch alles drüber, was du weißt, wie freut es mich jetzt, daß du nicht in Bonn bist, sondern ruhig in Rüschhaus sitzest, ich weiß daß die Sache eine fürchterliche Sensation macht …
Eppishausen, Dezember 1837