(…) Ich sitze hier seit vierzehn Tagen ganz, ganz still, daß man es ja in Münster nicht merkt; denn nur unter dieser Bedingung hat Mama mir erlaubt, hierzubleiben. Sie fürchtete sonst Unkosten und Klatscherei; ich weiß nicht, was am meisten. So meint jedermann, ich sei wenigstens für gewöhnlich in Hülshoff, wo ich es aber, die Wahrheit zu sagen, nur wenige Tage aushalten konnte. Der Lärm, nein, ich sage zu wenig: das Geheul, das Gebrüll der Kinder könnte den stärksten Menschen verrückt machen, wieviel mehr mich mit meinem armseligen Ohrweh: denn du mußt wissen, daß ich erst seit zwei Tagen frei davon bin. Du kannst denken, wie meine Nerven herunter sind.
(…) Denn – denk dir meinen Kummer – Werner fängt Ökonomie an und läßt sich dazu lauter neue Leute aus dem Lippischen kommen – Werner, der dazu taugt wie der Esel zum Lautenschlagen! Und, ich sehe es schon voraus, das wird alles ins Große gehn: Schafzucht, Brennerei, wenigstens späterhin. Denn ich kenne Werner: je mehr Schaden, je weiter wird er spekulieren, um ihn zu ersetzen, ich kenne ja seine alten Redensarten: „Man darf es auf einige tausend Taler nicht ansehn!“ „Kleine Unternehmungen rentieren sich niemals!“ und was mir sonst alles schon vor Jahren ellenlang zum Halse heraushing – Dieses ist mir ein harter Schlag. So wie Werner bis jetzt lebte, konnte es ihm wohl knapp werden, aber im ganzen war er doch gesichert; jetzt aber wird mir angst und bange, nicht sowohl Mamas und meinetwegen, die wir doch auch jeden Heller von ihm bekommen müssen, sondern hauptsächlich der vielen Kinder wegen, die alle nicht aussehen, als ob sie es weit in der Welt bringen würden (…) Du wirst wieder sagen: wer will so weit hinaus sorgen! Aber es ist nicht weit; das nächste Jahr kann schon trübselig genug sein. Denk dir nur die ersten Ausgaben. Da ist weder Gerät noch Vieh im Stalle, das muß er alles mit geliehenem Gelde anfangen, denn die Holzungen sind bey den letzten Ankäufen so angegriffen, daß aus denen vorerst kein Trost zu holen ist.
Doch freylich, sorgen allein, wenn man sonst nichts daran tun kann, ist auch ein überflüssiges Ding. So will ich hiervon abbrechen. Könnte ich das nur ebenso leicht in meinem Kopfe wie auf dem Papiere! – N B. Es kommt mir fast vor, als sollte dieses Projekt noch ein Geheimnis sein, obgleich die Ausführung vor der Türe ist, da Michaelis das neue Dienstpersonal mit dem Verwalter eintritt. Sprich also bitte nicht davon. (…)