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Ein fataler Druckfehler

Von den Gedichten nehmen Sie, was Ihnen ansteht. Sie sehn, an Varianten habe ich’s nicht fehlen lassen, bald darüber, bald daneben geschrieben, wie es der Raum mit sich brachte. Sie müssen hierbey immer die vorhergehende und folgende Strophe berücksichtigen und können – vielleicht – nicht alle Ihnen besser scheinenden Lesarten zugleich benutzen, sonst könnte es Wiederholungen geben, – Endreime oder einzelne Ausdrücke, die an beiden Stellen offenbar bezeichnender wären, aber der Nachbarschaft wegen einmahl geopfert werden müssen, und es fragt sich nur wo? Kurz, brechen Sie die Sache nicht gar zu arg übers Knie; es sind ja nur sechs Gedichte, die können Sie mir zu Gefallen wohl ein paarmahl überlesen.

Wenn ich von einem Dutzend geschrieben habe, so war dies halbwege nur in spe; ich habe zu sechs oder achten noch die Ideen und die eine oder andere Strophe fertig und wollte nach Ihrem letzten Briefe gleich alles klar und nett machen, um nicht wie ein Prahlhans dazustehn; das ist aber alles in Haferschleim untergegangen, und ich habe, wie gesagt, statt Poesie Trübsal blasen müssen.

Ich mache übrigens die Dinger doch noch fertig, da sie mir mal im Kopfe rumoren; aber dann ist’s zu spät für Ihren Almanach. NB. Die überschickten müssen Sie in dieser Reihenfolge lassen; ich habe sie oft genug anders probiert. wo sie dann immer zu heterogen oder zu ähnlich zusammen kamen. Der „sterbende General“ z. B. nimmt sich nach jedem der andern – durchgängig etwas sentimentalen – plump aus, steht vornan aber recht gut. Der „Nachtwandler“ macht sich auch nirgends als am Ende, am wenigsten neben dem „General“, wohin er sonst seiner Balladennatur nach gehörte, und „Gemüth“ und „Einer aus Vielen“ haben zu große Ähnlichkeit, sogar in einzelnen Ausdrücken, um neben einander zu stehen.

Auch macht sich, wie ich es geordnet, die Abwechslung des Versmaßes bey weitem am besten. Sollten Sie aber das eine oder andere Gedicht ganz ausmustern, so entstehen freylich wieder verbotene Annäherungen, und ich muß mich dann auf Ihren Geschmack verlassen, da ich nicht weiß, wen die schwarze Kugel trifft.

Aber mit meinen andern Gedichten geht der Cotta mal artig um! Das ist mal saubres Papier! und auch nicht viele Druckfehler. Ich will Ihnen die gefundenen hersetzen, obwohl ich meine, niemand sieht die Liste nach, wenn ihm nicht grade etwas Sinnentstellendes aufgefallen ist, weshalb sie Ihnen auch entgehn mußten, da Sie das Manuskript nicht zur Hand haben. Also:

S. 7 Z. 15 statt „trugst“ lies „trügst“. – S. 10 Z. 3 st. „Zinnenhang“ l. „Zinnenhag“ (dies haben Sie auch angestrichen). – S. 16 Z. 10 st. „ein Geist im echten Gleise“ l. „ein Christ im echten Gleise“ (ein fataler Druckfehler, da das Gedicht dadurch einen eben so modern philosophischen Anstrich bekömmt, als ich es grade orthodox christlich zu halten wünschte). – S. 20 Z. 24 st. „Singt, aber zitternd wie vor’m Weih die Tauben“ l. „wie vom Weih“ und auf derselben Seite Z. 26 st. „Ihr ward die Zeugen“ l. „wart die Zeugen.“ – S. 48 Z. 10 ist eigentlich kein Druckfehler, sondern eine in der Feder gebliebene, mir besser scheinende Variante, die ich auf diese Weise einschmuggeln möchte. Es heißt nämlich: „Fundus! Bei Gott, ein Fund das Backwerk drin!“ da hat mich das holprige „Backwerk“ immer gestoßen; wär’s nicht fließender: „die Brezel“? oder lasse ich’s beym Alten? – S. 51 Z. 16 st. „Ufergrün, hab gute Wacht“ l. „halt gute Wacht.“ – S. 64 Z. 8 (die Krähen) st. „Mich dünkt, man müßt‘ es hören, wenn nur ein Kranker schlich“ l. „ein Kanker“ (die langbeynigen Spinnen im Heidekraut). – S. 73 Z. 7 st. „Heideweisen“ l. „Heideweise“ (sonst reimt sich’s nicht).

Das ist alles, aber freylich habe ich auch nur ein kleines Stück vom Ganzen unter Händen gehabt. Lachen Sie nicht, daß ich immer die ganzen Stellen anführe; das ist nur für Sie, zu Ihrer Beruhigung, damit Sie nicht denken, ich korrigiere Fatalitäten hinein. Übrigens ist im „Prediger“ eine ganze Strophe weggeblieben, offenbar, weil ich selbst sie ausgelassen habe, ob absichtlich oder aus Versehen, weiß ich nicht. Ich erinnere mich, daß ich einmahl Lust hatte, sie zu streichen, und sie mir dann wieder sehr gut schien.

Wenn Sie hier kommen, will ich sie Ihnen vorsagen; jetzt ist doch nichts mehr daran zu machen. Ich will sie Ihnen doch zum Spaß hersetzen; es war die vorvorletzte: „Enthüllt hat er der Rechnung Moderschimmel, Mit der wir abgeschlossen für den Himmel, Die feige Güte, halbe Rechtlichkeit. Es waren Worte wie der Lava Gluten, Man hörte seines Herzens Adern bluten, Wie ein Prophet stand er der alten Zeit.“ Das „Blutenhören“ gefiel mir nicht, weil man schon früher „seines Heilands Blut tröpfeln“ hört; sonst wär’s schon gut.

Aber Gott im Himmel, das Papier ist zu Ende, Postschluß vor der Tür, und ich habe Ihnen noch nichts über Ihren Günther gesagt. Mit ein paar Worten geht das jetzt nicht mehr; denn er hat keine fehlerhaften Stellen, ist überhaubt unvergleichlich besser als Ihre früheren Proben in diesem Fache, und doch möchte ich, daß Sie ihm noch im Ganzen etwas nachhülfen. Das läßt sich aber eigentlich nur mündlich, das Buch zur Hand, bereden, wenn Sie erst hier sind.

Ach, Levin, ich freue mich viel zu arg auf unser Beisammensein, sodaß es mir oft vorkömmt, als könnte deshalb nichts daraus werden, und dann scheint’s mir doch wieder so nah vor der Hand, daß ich gar nicht schreiben mag. Hätte es nicht mit den Almanachsgedichten und vor allem den Korrekturen auf den Nagel gebrannt, ich hätte wahrhaftig nicht mehr geschrieben oder höchstens: Guten Tag, Levin, kommen Sie, kommen Sie! Wenn ich nur wüßte, um welche Stunde am ersten Mai Sie ankommen, ob per Post oder Dampf! … Wenn Sie per Dampf kommen, denken Sie doch an die Zollgeschichten, daß man nichts Neues einführen darf und alles durcheinander geworfen wird.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Über die Druckfehler hab‘ ich mich weidlich geärgert; die zweite Hälfte des Buches werden wir zusammen in Meersburg revidieren. Bekommen Sie Bogen zugeschickt, so lassen Sie dieselben nur liegen, bis ich komme, ich will sie an Sie adressieren lassen.

  2. Was ich Ihnen heute nur sagen wollte, ist, dass wir unser Kommen nicht fest auf einen Tag bestimmen können, und dass darüber das Ende der folgenden Woche kommen wird, wenn nicht Sonntag oder Montag der andern, nämlich der 5te oder 6te Mai. Montag den 29sten ziehen wir um, und das dauert doch immer einige Tage, bis wir so weit in Ordnung sind, um reisen zu können.

    Natürlich dränge ich alles, was ich kann, aber eher ließ es sich nicht tun. Gott, was haben wir uns alles zu erzählen, vom Hundertsten ins Tausendste, zwei Jahre liegen zwischen heut und der Zeit, wo ich Sie zum letzten Mal sah, und was ist darin für mich alles passiert! Wie ist es mir schlecht und wie gut ist es mir gegangen in der Zeit! Aber ich will nicht antizipieren.

    Leben Sie wohl, liebes treues Mütterchen, – also bis über ein paar Tage, wo wir per Dampfer von Lindau her in Meersburgs Thore ziehen werden!
    Augsburg, 26. April 1844

  3. In Beziehung auf den Druck der v. Drosteschen Gedichte wäre es mir sehr wünschenswert, wenn eine Beschleunigung einträte. Gegen den 1sten Mai denke ich in Meersburg am Bodensee zu sein; die Versendung der Revisionsbogen dahin hält dann mehr auf.
    An Cotta, 23. April 1844

  4. Was die v. Drosteschen Gedichte betrifft, so wünscht die Verfasserin doch sehr ein baldiges Erscheinen derselben. Ich wage demnach Ew. Hochwohlgeboren um einen geneigtesten dahin lautenden Befehl für die Druckerei zu bitten. Ich beabsichtige morgen einen etwa dreiwöchigen Ausflug nach dem Bodensee zu machen und wenn Ew. Hochwohlgeboren mich mit einer Antwort zu beehren beabsichtigen sollten, so lautet meine Adresse Meersburg am Bodensee.

    An Cotta, 3. Mai 1844

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