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Die Einsamkeit ist meine eigentliche Liebhaberei

(…) Ich werde diesen Winter sehr einsam verleben. In meinem Alter nimmt die Lust, neue Bekanntschaften zu machen (und Du weißt, diese war bey mir nie groß), gewaltig ab, und mein früherer Zirkel ist gänzlich aufgelöst, auseinander gestäubt wie ein Haufen Flaumfedern. Die gute Rüdiger war mir noch zuletzt geblieben, ist aber seit vierzehn Tagen auch fort, nach Minden, wohin ihr Mann mit gleichem Range, aber einer Gehaltsverbesserung versetzt ist. Die Einsamkeit wird mich nun zwar eben nicht genieren (Du weißt, sie ist eigentlich meine Liebhaberei), aber doch vermisse ich einige der alten Bekannten sehr ungern, namentlich eben die Rüdiger, eine Frau, auf die ich mich in jeder Beziehung verlassen, und immer ihrer wärmsten Teilnahme gewiß sein konnte. Doch Du kennst sie ja, und sie hat Dir, wenn mir recht ist, auch wohl gefallen.

Von Adelen weiß ich nur, daß sie noch fortwährend in Rom bey der Mertens und ihre Gesundheit jetzt leidlich sein soll. Mit ihrem Privatvermögen mag es schlimm genug aussehn, doch muß sie durch ihre Pension vom Weimarischen Hofe (300 Reichsthaler) immer vor eigentlicher Not gesichert bleiben, freylich ein schmales Einkommen! aber ein einzelnes Frauenzimmer, der schon ihr Alter Zurückgezogenheit als das Passendste vorschreibt, kann sich doch damit einrichten, daß kein eigentlicher Mangel fühlbar wird. (…)

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. Ich bin durch die Schweiz über d. Gotthart, Pavia, Mailand nach Genua gereist, dort habe ich mich an die Mertens angeschlossen, den 9. bin ich zur See nach Livorno, p. Eisenbahn nach Pisa, jetzt in Florenz, wo ich vorläufig bleibe, bis ich alles erfahre, ob 8-12 Tage, weiß ich nicht. Adresse kann ich nicht geben bei der Unsicherheit, aber Frommann in Jena u. Herr Abegg in Danzig, welcher letztere Gerenalvollmacht hat für Danzig und Ohra, werden alles Geschäftliche abmachen, u. wenn ich in Rom bin, melde ich es Dir.
    An den Bruder Arthur, 14. Oktober 1844

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