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Wie die Bornstedt nie schreiben wird

(…) Die Bornstedt überschüttet mich fortwährend mit Briefen und Gefälligkeiten, und ich sehe sie, wenn ich mal (sehr selten) nach Münster komme, obgleich sie mir, unter uns gesagt, immer weniger gefällt. Ich fürchte, ihre Frömmigkeit ist großenteils Poesie und Phantasie, obgleich sie wirklich den besten Willen hat, aber sie steckt voll halb berlinischer, halb französischer Schwächen und erinnert mich unzähligemal an die Gauthier.

Schücking möchte ich gern wohlwollen, da ich weiß, daß er mich seiner seligen Mutter so ähnlich findet, was ihm in seiner Verlassenheit ein großer Trost ist und mich rührt, und da er zudem ein so rein moralischer, gescheuter und gelehrter Mensch ist, aber es wird mir schwer, er ist mir gar zu lapsig, weibisch, eitel, erinnert mich zu oft an August Wilhelm Schlegel, dessen Karriere er auch wohl machen wird, wenigstens im kleinen, da er bereits ein gesuchter Mitarbeiter an allen kritischen Blättern ist und seine Rezensionen in andern (…)

Bei der Rüdiger habe ich noch eine Person kennenlernen, die mir sehr gefällt und zum Besuch dort ist, ein altes Täntchen, Schriftstellerin aus früherer Zeit, verwachsen und so schwächlich, daß, wenn sie mit in der Gesellschaft sein will, sie sich erst mehrere Stunden vorher hinlegen muß, sehr klug, sehr blöde und demütig, die Freundlichkeit und Güte selbst, hält sich für nichts, nimmt überall den geringsten Platz ein und ist doch die Verständigste von allen. Die Rüdiger hat sie überaus lieb und geht sehr nett und kindlich mit ihr um. Die Bornstedt aber verachtet sie als ein altes Hutzelchen und eine Person von veraltetem, schlechtem Geschmack, was sie in ihrem Übermut und Duselei auch gegen die Rüdiger geäußert und sich dadurch, wie ganz billig, eine schlechte Note gemacht hat. Die Bornstedt bat mich, eigentlich aus reiner Mokerie, die alte Dame doch zu bitten, mir ihr Bändchen Erzählungen (das einzige, was sie geschrieben) zu leihen, das mache ihr solche Freude. Ich tat es, weil ich sie wirklich zu lesen wünschte, und fand sie so gut, wie die Bornstedt nie schreiben wird.

Jenny hat kürzlich geschrieben. Sie ist wohl mit den Ihrigen und freut sich sehr auf unsern Besuch, den Mama ihr angekündigt hat, aber, liebe Sophie, da liegen noch große Steine im Wege. Vorerst habe ich dieses Jahr gar kein Geld. Ich stand doch schon schlecht mit meinen Finanzen, und nun ist das Porträt ein Kniestück geworden und hat mir acht Louisdor gekostet, was mir arg im Beutel klappern würde, wenn nur etwa darin wär‘, was klappern könnte. So aber klappert es in dem Gelde, was ich in Zukunft erst bekommen werde, und ich kann im nächsten Quartal nicht mal meine Rechnungen bezahlen, viel weniger das Kostgeld an Mama. Gegen den Mai bin ich noch nicht aus meinen Schulden, wovon soll ich denn reisen? (…)

Zur Jahreswende 1838/39 gründet Elise Rüdiger in Münster einen literarischen Zirkel, dem Luise von Bornstedt, Levin Schücking, Carl Carvacchi, Hermann Besser, Wilhelm Junkmann und die Droste angehören.
Ein Kniestück ist die Wiedergabe einer porträtierten Person bis zu den Knien.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Luise von Bornstedt sagt:

    Gnädiges Fräulein
    Ob es mir wohl erlaubt sein dürfte Ihnen einen kleinen Beweis, meiner Verehrung und Hochachtung zu geben, indem ich so frei bin das Leben der hl Catharina, als demütige Verfasserin vertrauungsvoll zu übersenden …
    Münster, 25. November 1837

  2. Luise von Bornstedt sagt:

    Mein teures, liebes Fräulein!
    Nr. 1. Warum habe ich Sie doch so sehr, sehr lieb? Nr. 2 Und wenn ich Sie so sehr, sehr lieb habe, warum habe ich mich bis heute nicht entschließen können, an Sie zu schreiben? Können Sie mir auf diesen Widerspruch antworten, so werden Sie mich von großen Kopfbrechens frei machen, denn wahrlich, seit einiger Zeit kann ich mich selbst nicht mehr begreifen; fast ist es, als ob mein Herz in allen Wunden so verblutet, dass es nur zuweilen noch zucken, aber nicht mehr regelmäßig schlagen kann, bis Gott gibt, dass es endlich ganz still stehen darf! — Unser Zusammensein tief in den einsamen Schneefeldern, der Austausch unserer Gedanken und wie ich mich gleich dem Epheu um eine liebe Eiche auf alle Weise herumranken durfte, es ist mir alles, alles wie ein Traum, und zweimal dasselbe träumt man nicht, so werden wir uns auch wohl nicht wiedersehen!
    Münster, 6. Mai 1838

  3. Luise von Bornstedt sagt:

    … ich liebe Sie, mein teures Fräulein, süsse Freundin, wie ich wohl wenig Leute im Leben geliebt habe, aber ich mache auch zugleich so wenig Ansprüche an Sie, wie ich an wenige Leute jemals gemacht habe und halte Sie so los im Zügel, dass ich Sie kaum mein nenne. Woher mag das kommen? – Ich könnte Sie nie betrüben oder nie ärgern wollen und empfinde zugleich das süsse Gefühl, Sie lieben zu dürfen auf so wunderliche Art, ich wollte – dennoch, wenn Sie mir wehe täten, würde ich niemand schneller vergessen als Sie.
    Münster, 11. Februar 1839

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