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Schücking führt ein Leben en grand seigneur

(…) ich habe doch einen Brief vom 2ten Oktober zu beantworten, wo mir Schücking die „neue Wendung seines Schicksals“ ankündigt, und sich so hin und her dreht, daß ich denken soll, er habe erst jetzt, auf Dumonts Antrag, Cottas Dienst verlassen, während dies doch ganz gewiß schon im Frühling der Fall, und sein ganzer Aufenthalt in Bonn bloß auf die Bewerbung um Püttmanns Stelle berechnet war. Ob gegenseitige Unzufriedenheit im Spiele war, weiß ich nicht, Schücking ist seiner Stellung aber offenbar völlig überdrüssig gewesen – er ist wieder so eilig und läßt Luisen seinen Brief beenden, und sie schreibt mit einiger Bitterkeit: „Der Abschied von Augsburg und unsern dortigen Freunden thut uns beiden schwer leid! einen so angenehmen Zirkel, eine so herzliche Aufnahme finden wir nicht wieder; Levin sieht das jetzt erst recht ein, ich habe es immer gefühlt, und mit dankbarem Herzen anerkannt.“ Dann schreibt sie von ihrer schönen großen Wohnung in Cöln, die aber allerdings auch, wie alles dort, sehr teuer sey. Junkmannen findet sie höchst liebenswürdig und originell, auch sehr heiter, nach Levins Versicherung viel heiterer als in Münster; und die Lombard, mit der sie verschiedene Landpartien gemacht, höchst gebildet und artig.

Wegen Paulinens solle ich mich nicht ängstigen (schreibt wieder Schücking). Sie sei reichlich mit Gelde versehn, obwohl sie alle Welt in Briefen anbettele, er habe auch noch vierzehn Taler für sie in Cöln bezahlt, obgleich er wisse, daß sie mindestens 60 Reichstaler in der Sparkasse stehn habe et cet. Ich fürchte, er steckt selbst in Schulden; denn er spart nirgends. Zuerst die Reisen! dann sein glänzendes Auftreten in Bonn, wo, wie ich höre, ihn jedermann für steinreich hält! und nun wieder der neue Anlauf zum großen Leben in dem großen teuren Quartier, wie soll das von 1000 Reichstalern kommen? d.h., wenn nicht der Frau Vermögen allmählig drein geht.

Die 1000 Reichsthaler selbst sind mir noch ein bischen problematisch. Mir schreibt er auch „1000“, seiner Tante Padberg aber nur „600“ – hat er bey mir, aus Prahlerei oder um meinen Vorwürfen zu entgehn, übertrieben? oder bey der Padberg sich zu klein gemacht, um nicht seine münsterschen Schulden bezahlen und für Paulinen sorgen zu dürfen? oder hat er bey mir alles zusammen gerechnet, Feuilleton, Rheinisches Jahrbuch und vielleicht noch den mutmaßlichen Ertrag seiner Aufsätze? Möglich sind die 1000 Reichstaler übrigens allerdings, da, wie mir Annchen Junkmann sagt, ein Freund ihres Bruders, Brüggemann, der jetzt die Redaktion der Cölner Zeitung übernimmt, dafür „2000“ von Dumont erhalten wird.

Könnte Schücking nun nur seine Veränderlichkeit bezwingen und sich etwas nach der Decke strecken, so wäre er geborgen, aber ich fürchte, Cöln wird ihm noch eher alt wie Augsburg, und mit dem Hin-und Herlaufen und Leben en grand seigneur geht es endlich doch auf seines Papas Schicksal los. Mama fürchtet dies auch (…)

Am 1. November 1845 tritt Levin Schücking seine Tätigkeit für das Feuilleton der "Kölnischen Zeitung" an, er folgt dort dem Redakteur Hermann Püttmann.
Schückings Vater Paulus Modestus hatte 1837 seine Ämter als Richter und Amtmann verloren - wohl aufgrund seiner selbstherrlichen Art.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Dies soll kein Brief sein, sondern nur der Vorläufer eines, nur eine kurze Anzeige, dass mein Schicksal plötzlich eine ganz neue Wendung genommen, indem Joseph DuMont mich bewogen hat, die Redaktion des Feuilletons der Kölnischen Zeitung zu übernehmen. Ich habe Honorar für meine Arbeiten wie in Augsburg und obendrein 1000 Reichstaler Gehalt.

    Wir haben nun bisher viel zu tun gehabt, um eine Wohnung zu finden, lassen der Frau Dr. Simrock auf acht Tage unser Bübchen und reisen morgen nach Augsburg, um dort zu packen. Gegen den 15. dieses Monats werden wir wieder in Köln sein und meine Adresse ist dann Levin Schücking, Hochstraße N° 55., über zwei Stiegen.
    Bonn, 2. Oktober 1845

  2. Luise von Gall sagt:

    Bis dahin und nicht weiter ist der Mann gekommen. Nun ist Besuch da und die Frau soll Ihnen, liebe Annette, noch alles sagen, was zu sagen ist. Die arme Person ist aber heute ganz konfus im Kopfe, denn die, wenn auch nur kurze, Trennung von meinem lieben süßen Kinde liegt mir zentnerschwer auf der Seele.

    Er ist zwar gewiss gut aufgehoben bei Tante Trautchen und überdem ist seine Wärterin eine gute brave Person aber – er ist so unaussprechlich lieb, sagt so schön Mama, streckt so markig mir seine Ärmchen entgegen und lacht so hell, wenn er mich sieht!

    Dass Levin, der Unpraktische, unsre Angelegenheiten in Augsburg nicht allein besorgen kann, werden Sie so gut wissen wie ich – drum ist es nicht zu ändern. Den 1. November tritt Ihr Pflegesohn sein neues Amt bei DuMont an, der Abschied von Augsburg und unsern dortigen Freunden tut uns beiden bitter leid! Einen so angenehmen Zirkel, eine so herzliche Aufnahme finden wir nicht wieder. Levin sieht das jetzt erst recht ein, ich habe das immer gefühlt und anerkannt mit dankbarem Herzen.

    Eine sehr schöne Wohnung haben wir in Köln, freilich auch teuer genug wie alles dort, aber groß und geräumig und ich rechne fest darauf, dass Sie uns sobald wie möglich auf längere Zeit dort besuchen, wäre es auch nur, um Ihr Patchen kennenzulernen, das wahrhaftig allein eine Reise wert ist. Er macht jetzt seine ersten Gehversuche.
    Bonn, 2. Oktober 1845

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