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Völkerfreyheit? Preßfreyheit? Bis zum Ekel gehört!

(…) Schückingen muß ich auch jetzt schreiben, ich bin ihm auf zwey Briefe Antwort schuldig. Der letzte hat mich auch nicht eben gefreut, so freundlich er war, Fürs Erste schickt er mir seine Gedichte, worin er als entschiedener Demagog auftritt. Völkerfreyheit! Preßfreyheit! Alle die bis zum Ekel gehörten Themas der neueren Schreyer.

Vorn – in eine Abtheilung „Liebesgedichte“, eingeleitet durch eEins an seine Louise, worin er ihr als der ächten königlichen Isolde, vor deren Schein Alles verbleicht, diesen Abschnitt gleichsam widmet, und dann pele, mele[1]pêle-mêle: buntgemischt, was er je an Damen geschrieben. Jedes Gedicht bringt ein paar Groschen mehr. Ich suchte aus Neugierde nach einem an die Bornstedt, konnte es aber nicht errathen – dagegen sind einige mir bekannte ausgelassen.

Ich habe meiner Mutter die Gedichte nicht zu lesen gegeben, sie würden sie zu sehr gegen ihn einnehmen. Den Brief aber las ich ihr vor, und es kam eine Stelle darin vor, die sie furchtbar stieß und par contrecoup [2]par contrecoup: indirekt auch mich. Nachdem Sch[ücking] mir nämlich die bevorstehende zweyte Niederkunft seiner Louise und seinen dadurch erweiterten Hausstand annoncirt, sucht er mich zu bereden, mein Vermögen zum mit ihm gemeinschaftlichem Ankaufe eines kleinen Gutes am Rhein zu verwenden und dort mit ihnen zu leben. Mama wurde ganz blaß und sagte sehr scharf: „Glaub nur, das ist ihm ganz und gar kein Spaß!“ Und bald nachher: „Wenn er es nicht ausgedacht hat, dann hat’s Louise ausgedacht, und er ist doch darauf eingegangen. Was wollten sie mit einem Gute anfangen, das sie nachher wieder verkaufen müßten? Aber Du bist ja sein Mütterchen und Pathin zu seinem Kinde!“

Großer Gott! wär’s möglich, daß dieser Mensch, dem ich viel Gutes gethan habe, schon auf meinen Tod spekulirte, weil er denkt, ich mache es nicht lange mehr! Darüber könnte ich doch noch weinen! (…)

References
1 pêle-mêle: buntgemischt
2 par contrecoup: indirekt

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Liebes Mütterchen – sind Sie noch immer so angegriffen, dass Sie keine Silbe hören lassen, wie es Ihnen jetzt geht – ich bin recht besorgt um Sie, diesen Winter [Lücke durch Papierausschnitt] tut Ihnen gewiss [Lücke durch Papierausschnitt] lassen Sie uns zusammen im [Lücke durch Papierausschnitt] am Rhein kaufen, jeder gibt [Lücke durch Papierausschnitt] Taler dazu und dafür haben wir die schönste Villa hier und bringen beide den Rest unsrer Tage darauf zu.

    Aber Sie werden Meersburg und Ihren Weinberg nicht fahren lassen wollen: Ein Briefchen von Ihrer verehrten Schwester, das ich vor ein paar Tagen erhielt, sagt, dass Sie Glück hätten mit Ihrem Weinberg, und schon ein Stückchen Garten dazu gekauft!

    Mein Feuilleton habe ich jetzt so ziemlich in Zuge, habe aber viel damit zu tun gehabt. Seit dem 1 November habe ich 63 Briefe geschrieben. Das will was heißen! Es fehlt mir gewaltig an unterhaltenden Beiträgen, wie Erzählungen, Novellen usw. Gedichte und Kritiken überfluten mich dagegen. Wenn Sie mal an ihr „Bei uns zu Lande“ kommen, so hatte ich mein Feuilleton Ihnen zu Bruchstücken empfohlen. [Lücke durch Papierausschnitt] lassen Sie sich jetzt aber auch das Honorar zahlen oder wenn Sie es nicht beitreiben wollen, so will ich es wohl tun. Sie haben jetzt ein Pröbchen von der ultramontanen Clique!

    Was Ihr Honorar von DuMont angeht, so habe ich wie überhaupt jeder Redakteur mit dem Honorarbezahlen keinerlei Berührung. Das ist DuMonts Sache und ob Püttmann geblieben oder die Redaktion niederlegte, steht nicht in der leisesten Berührung damit. Nach Neujahr wird von der Buchhandlung die Honorarabrechnung gemacht und das Geld übersandt, ebenso nach dem 1. Juli, alle halbe Jahr, wenn man nicht ausdrücklich es öfter verlangt. Dann will ich DuMont auch auf Ihre Forderung aufmerksam machen.

    Meine Frau ist ziemlich wohl, wie es bei ihrem Zustande möglich ist, denn sie sieht nächstens ihrer zweiten Entbindung entgegen. Unter diesen Umständen verleben wir denn hier einen sehr stillen Winter, fast so einsam wie Sie in Rüschhaus, nur daß ich zuweilen abends ins Theater gehe, wo die Direktion mir mit großer Gefälligkeit eine Loge zur Disposition gestellt hat. Mein Mitredakteur Brüggemann ist ein gutes Kerlchen, plagt sich zu Tode und wird doch nicht viel aus der Zeitung machen – er ist viel zu gut und candide zum Redakteur. Halten Sie sich die Zeitung auch hübsch, oder ist Ihre einzige Nahrung noch immer der süße Merkur?

    Mein Junge gedeiht prächtig, obwohl er kürzlich lange am Husten laboriert hat; ich freue mich darauf, wenn Sie ihn mal sehen! Ihrer Schwester in Meersburg möchte ich gerne meine Gedichte schicken, wie mach‘ ich das? Das Porto bis dahin kostet so viel wie das Buch. Was macht Ihr Onkel und das russische Buch? Sie kennen wohl hier in Köln niemand mehr?

    Und nun – wann sehen wir uns denn, liebes Mütterchen? Ist Ihre Gesundheit zu angegriffen, um diesen Winter noch, so Ende Januar oder im Februar z. B. zu uns zu kommen? Bis Düsseldorf brauchen Sie ja nur, dann sind Sie auch hier, denn die Eisenbahn ist eröffnet von Düsseldorf bis hierhin. Im Frühjahr werde ich eine malerische und romantische Mosel schreiben, für einen armen Buchhändler, mit Schlickum als Piktor.

    Tausend Grüße und alles Liebe und Herzliche von Luise und von Ihrem treuen Jungen.

    Was kostet in Münster die Butter und wissen Sie ein gutes Kindermädchen? Sie sehen, ich bin ganz Hausvater!
    Köln, 13. Dezember 1845

  2. Ich habe den Garten, den du so sehr zu haben wünschtest, der rückwärts am Hindelberg liegt, gestern wirklich gekauft, für 150 Gulden, freilich Geld genug, aber der Boden ist gut, er hat große und kleine Obstbäume, und er gehörte der Lage wegen sozusagen durchaus dazu, da ich den rohen Wein noch nicht verkauft habe, so ist das Geld zwar nicht ganz da, indessen kann ich das fehlende wohl zulegen, bis du kommst, ich bitte dich aber dann zu meiner Pension die 10 Reichstaler zu legen, die ich dir geliehen habe, als du von hier gingst, und, wo möglich, zu machen, dass Mama mir auch die 19 Reichstaler mitsendet, die sie mir Neujahr wiedergeben wollte, denn in diesem Augenblick bin ich nicht sehr bei Gelde, da ich vor 3 Wochen für mich 400 Gulden in die Versorgungsanstalt gelegt habe, denn damals wusste ich noch nicht, dass ich den Garten bekommen würde; hast du etwa 20 Reichstaler, die du mir schicken kannst, so brauchst du Mama nichts von den 19 Reichstalern zu sagen, und wäre dies noch besser.
    Meersburg, 26. November 1845

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