Site Overlay

Auf Schücking kann ich mich nicht verlassen

Sch[ücking] übersendet mir zugleich ein Geschenk von Cotta, ein Prachtexemplar des Nibelungenliedes in Folio, mit Randzeichnungen, nebst einem so artigem, fast demütigen Briefe, als ich mir ihn aus Cottas Feder nicht für möglich gedacht habe. Ich will ihn Ihnen abschreiben, halb aus Prahlerei (denn ich bin nicht ein Zehntel so bescheiden als Sie), halb um Ihr Urteil einzuholen, ob Sie meinen, daß ich hierauf wohl gradezu mit meinen gesammelten Gedichten und der etwas hohen Forderung auf Cotta losrücken kann. Sie haben weit mehr Schriftstellerroutine als ich, und wissen besser, inwiefern Verlegerlob auf pekuniäre Beziehungen nachzuwirken pflegt oder nicht. Ich bin zweifelhaft, ob ich sie mir immer mit dem Honigtopfe in der Hand als halbe Bezahlung oder vielmehr sehr abgemessen denken soll, um ihren Klienten den Kamm nicht zu schwellen. Hier ist der Brief:

Ew. Hochwohlg. haben uns früher zuweilen mit Beiträgen beehrt, für welche wir Ihnen zum größten Danke verpflichtet sind. Die Erzählung „Die Judenbuche“ hat in ihrer Eigentümlichkeit auf die besten unserer Leser den größten Eindruck gemacht, und die Gedichte „Der Knabe im Moor“, „Die Taxuswand“, „Am Turme“ u.s.w. werden von den Kennern und Freunden der Poesie sehr hochgestellt. Aber seit längerer Zeit haben wir uns keiner Mitteilung von Ihrer Hand mehr zu erfreuen. Der Umstand, daß die früheren Beiträge, soviel wir uns erinnern, sämtlich in die Zeit des Aufenthalts des H. Levin Schücking auf Schloß Meersburg fallen und uns durch denselben zugekommen sind, läßt uns vermuten, daß wir Ihre Mitwirkung nur der Fürsprache dieses Freundes verdankt hatten. Wir erinnern uns wenigstens keiner Handlung, nicht mal einer Unterlassungssünde, die Sie hätte veranlassen können, unsern Blättern eine Teilnahme zu entziehn, die wir seit einiger Zeit so sehr vermissen.

Wir haben nun H. L. Schücking dringend gebeten, seinen Einfluß auch in der Entfernung zu unsern Gunsten geltend zu machen. Wir haben aber auch nicht unterlassen wollen, Ew Hochw. selbst das Morgenblatt in freundliche Erinnerung zu bringen. In der angenehmen Hoffnung, den Wunsch, den wir in diesen Zeilen ausgesprochen, in baldige Erfüllung gehn zu sehn, sind wir,
mit ausgezeichneter Verehrung Ew Hochw. ergebenste Redaktion des Morgenblatts.

(Nachschrift von Cottas eigner Hand:) Die Unterzeichnete beehrt sich, für Ihre Bibliothek anliegend ein Nibelungenlied beyzuschließen und um freundliche Aufnahme zu bitten. JG Cottaische Buchhandlung. Sthuttgart. 25. X. 43

Dies ist der Brief, aber bitte, Liebchen, sagen Sie niemanden davon, es sieht gar zu erbärmlich lächerlich aus, daß ich ihn ganz abgeschrieben habe. Er ist nur für Sie, damit Sie mir sagen können, wenn ich allenfalls auf dem Wege bin, einen Floh für einen Elefanten zu halten. Auf Schücking kann ich mich nicht verlassen; dessen sanguinische Phantasie in solchen Fällen ist Ihnen bekannt, und zudem kömmt ihm sein Brotherr jetzt als der erste Mann der Welt vor und dessen herablassende Generosität als etwas so Wunderbares (wie er meint, in dessen Leben noch nie Vorgekommenes), daß er reinweg den Kopf darüber verloren hat und nicht weiß. wie große spanische Schlösser (wenigstens ein Eskurial!) er darauf bauen soll.

Jedenfalls werde ich jetzt noch einige Gedichte fürs Morgenblatt einsenden, da Schücking dringend wünscht, sich Cotta dadurch angenehm zu machen, was wirklich auch wohl in diesem Augenblicke sehr passend sein möchte, da Cotta noch immer mit dem Abschlüsse zögert. Alles nur noch zur Probe, was mir fast bedenklich vorkömmt. Es war eine schreckliche Geschichte, wenn er ihn nach einem halben Jahre wie einen Taglöhner abbezahlte und vor die Tür setzte! Und so bin ich durchaus nicht gegen Sch[ücking]s enges Verhältnis zu Kolb, von dem doch gewiß sehr vieles abhängt. Die Zeiten des edlen Trotzes sind vorbey, sobald man Familie hat.

Zu den Droste-Gedichten, die Levin Schücking im Februar 1842 an Cottas „Morgenblatt für gebildete Leser“ gesandt hatte, gehörten „Der Knabe im Moor“, „Die Weltverbesserer“, „Im Moose“, „Am Turme“, „Junge Liebe“, „Am Bodensee“, „Die Vendetta“ und „Das alte Schloss“. Nicht alle gelangten zum Abdruck. Auch die „Judenbuche“ hatte Schücking an das Blatt vermittelt.
Levin Schücking arbeitet bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung als Redakteur ohne festen Anstellungsvertrag, lediglich auf der Basis von Honoraren für seine Beiträge. Mit seiner Tätigkeit als Vermittler zwischen dem Verleger Cotta und der Dichterin ist auch die Hoffnung auf eine Festanstellung verbunden. Mit Gustav Kolb, dem Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, verbindet Schücking eine Freundschaft.

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. … hier herrscht ein Typhus, an dem zwei Redakteure erkrankt sind, und da habe ich nun eintreten müssen, gehe morgens bei Zeiten fort und komme oft erst gegen drei Uhr wieder. Abends gibt’s Schreibereien zu Haus, oder Kolb ist zum Tee bei uns. Ich habe Großbritannien und fange allmorgendlich mit den Riesenspalten der „Times“ an. …

    Von Weinsberg über Ellwangen und Nördlingen hierher. Äußerst freundlich aufgenommen. Kolb, der Redacteur en chef, der eine Art literarischer König hier ist, ist fast täglich bei uns. Ebenso Binzers. Sie, die Binzer, ist eine Art Bornstedt, gemildert, liebenswürdiger, weil ruhiger. Ein sehr interessanter Hausfreund ist der Oberstleutnant v. Hailbronner, Verfasser von Morgen- und Abendland; er lügt zwar viel, ist aber im höchsten Grade unterhaltend. …

    Meine Chiffre in der Allgemeinen Zeitung ist S. vor dem ersten Wort jedes Aufsatzes. Dieser Tage – übermorgen – erscheint einer über einen Aufsatz der Revue des deux mondes, den Sie lesen müssen. Ich war sehr geneigt, den französischen Kritiker glimpflich zu behandeln, weil er mich mit Simrock zu den hoffnungsvollen Poeten Deutschlands rechnet.
    Augsburg, 2. November 1843

Copyright © 2024 Nach 100 Jahren. All Rights Reserved. |  by John Doe