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Ich hoffe Gutes von dem Buche

(…) Wissen Sie wohl, Professorchen, daß ich jetzt ernstlich willens bin, ein ellenlanges Buch im Geschmacke von Bracebridgehall auf Westfalen angewendet zu schreiben, wo auch die bewußte Erzählung von dem erschlagenen Juden hineinkömmt? Das Schema zum ersten Teile, Münsterland betreffend, habe ich schon gemacht, und das ist für mich ein großer Schritt, denn eben dies Ordnen und Feststellen der wie Ameishaufen durcheinander wimmelnden Materialien macht mir immer zumeist zu schaffen, und habe ich das überwunden, geht’s in der Regel sehr schnell. Nun aber ist mir mit meiner Grippe und Appendix vorläufig ein Schlagbaum vorgefallen, und ich muß mich gedulden oder vielmehr ungedulden, denn nun ich mal angefangen, brennt’s mir wie auf den Nägeln, und ich möchte lieber Tag und Nacht schreiben, als vielleicht noch drei Wochen die Hände in den Schoß legen und Daumen drehn oder die Wolken studieren. Aber das Schreiben will noch ganz und gar keine Art haben; es ist, als ob die gebückte Stellung den Reiz in der Kehle vermehrte, auch das Blut steigt zum Kopfe, und die Tränen laufen mir aus den Augen, wie eben jetzt, so daß ich längst hätte aufhören sollen.

Ich will und muß auch aufhören, aber erst noch wegen meines Buch in spe. Es wird drei Abteilungen enthalten, und den verbindenden Faden gibt der Aufenthalt eines Edelmanns aus der Lausitz bey einem Lehnsvetter im Münsterlande (erste und stärkste Abteilung), der dann mit dieser Familie ihre Verwandten im paderbornischen besucht (zweite Abteilung) und durchs Sauerland zurückkehrt, wo sie auch einige Zeit bey Freunden und entfernteren Verwandten verweilen (dritte und kleinste Abteilung). Diese sind die drei hervorstechensten Provinzen Westfalens, und zudem die einzigen, wo ich hinlänglich eingebürgert bin, um festen Grund unter mir zu fühlen. Es werden alle normalen Charaktere, Sitten, Instithute (z. B. Damenstifter, Klöster), Sagen und Aberglauben dieser Gegenden darin vorkommen, teils geradezu in die Szene gebracht, teils in den häufig eingestreuten Erzählungen.

Ich hoffe Gutes von dem Buche, bin aber keines Menschen Beifall weniger gewiß als des Ihrigen, da Sie einen entschiedenen Widerwillen gegen Hexen, Spuk und Vorgeschichten haben und von allem diesem darin vorkommen wird, zwar natürlich fast allein in sagenhaften Erzählungen, also nicht als krasse Unwahrscheinlichkeit stoßend, aber ich weiß, Sie mögen dergleichen in keiner Gestalt. Es ist mir leid, etwas schreiben zu müssen, wobey ich nicht, wie es mir einmahl eine liebe Gewohnheit geworden ist, denken kann, was mein Schlüter dazu sagt, oder wo es vielmehr ein zweifelhaftes Resultat gibt, wenn ich es denke. Doch ich kann nicht anders, da diese Dinge zu eng mit dem Volkscharakter veknüpft sind, und ich hoffe durch anderes in dem Buche meinen liebsten Freund zu versöhnen und zur Nachsicht mit dem nicht Ansprechendem zu stimmen.

Nun muß ich in der Tat aufhören, ich habe mich ganz zuschanden geschrieben und weine, als wenn ich rohe Zwiebeln schnitte. (…)

Unter der Feder: Bei uns zulande auf dem Lande

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. Es ist bald elf, Mütterchen; schreiben Sie noch? Sie müssen nach Bett und nicht in der Kälte waschen.
    Mütterchen, helfen Sie mir, ich habe so viel zu tun. Bis 15ten Dezember muss ich meinen Aufsatz über Merlin fertig haben für das Immermanns-Album von Freiligrath, dann einen Aufsatz für den historischen Verein hier, dann haben sie mich zum Mitglied des Westfälischen Vereins für Altertumskunde erwählt oder ernannt vielmehr, dann soll ich weiß der Himmel was alles für die Bornstedt tun und die ganze Welt besuchen.
    Münster, 30. November 1840

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