1846 26.Juni
… ich gehe nicht mit nach Meersburg, so äußerst fatal es mir auch ist, Mama allein mit Marie reisen zu lassen, aber ich kann nicht, und Mama will es deshalb auch nicht. Ich bin krank, obwohl wenig leidend, weniger als sonst, aber es sind Umstände da, die durchaus beseitigt werden müssen. Ich kann z. B. gar nicht gehn, nicht zweimal unsern kleinen Garten entlang, ohne dass mir das Blut dermaßen zu Kopfe steigt, dass ich zu ersticken meine, und Fahren geht auch nicht viel besser, eine Stunde Weges (z. B. von hier bis Hülshoff) ist hinlänglich, dass ich mich dann gleich zu Bette legen muss und die ganze Nacht wie im Fieber liege.
Ich habe wohl schon lange gemerkt, dass ich nicht reisen konnte, mochte es aber nicht sagen, und Mama merkte es auch, und mochte es ebenfalls nicht sagen, damit ich nicht denken sollte, sie wünsche meine Begleitung nicht, bis wir neulich in Hülshoff den armen Werner so sehr leidend an seinem Knie fanden, und, leider, leider! mit sehr geringer Aussicht auf völlige Herstellung, dabei so niedergeschlagen und apprehensiv, und so ganz ohne Aufheiterung (da Line den ganzen Tag über ihre Geschäfte hat), dass die Sache dort von allen Seiten zur Sprache kam und ausgemacht wurde, dass ich statt nach Meersburg zu ihm nach Hülshoff gehn solle, um ihm, wo möglich, die Grillen etwas zu vertreiben, und zugleich selbst eine ordentliche homöopathische Kur zu unternehmen, da in Meersburg kein Homöopath ist. Ich sah wohl ein, dass die andern Recht hatten, und dass ich auch sonst wahrscheinlich auf der ersten Tagereise liegen bleiben würde. So ist es denn ausgemacht, obwohl mir sehr hart, dass ich Mama am 30ten allein muss abreisen lassen, indessen sehe ich deutlich, dass ihr damit ein Stein vom Herzen gefallen ist, und sie nicht gewußt hat wie sie mich heil überbringen sollte. Sitze ich übrigens (wie jetzt eben) auf meinem Kanapee, so tut mir auch kein Finger weh, und ich hoffe deshalb, Bönninghausen wird mich schon wieder zurecht flicken.
Rüschhaus, 26. Juni 1846
Thematisch verwandte Briefe:
Der einzige, der mir helfen kann Seit ich zuerst deinen und dann der lieben Mama Brief erhielt, hat es mir wie ein Stein auf dem Herzen gelegen, dass ich antworten müsste, und habe es doch nicht gekonnt, denn ich bin tüchtig krank gewesen und hatte noch dazu meinen Homöopathen nicht, der auf längere Zeit verreist war. Jetzt ist er seit 14 Tagen da, und sein erstes Pulver hat mir wieder wunderbar gut getan. Gestern habe ich das zweite genommen, was mich tüchtig angreift, ich denke, desto besser wirkt es nachher! Liebe Jenny! Du schmähst mich so aus, und es war doch wirklich nicht unvernünftig, dass ich...
Was kann mir dann Großes begegnen? Liebste Jenny, ich bin krank, kann gar nicht schreiben und muss doch, seit 14 Tagen, über meine Kräfte. Zwei Briefe an Dich, wovon ich an dem einen zwei, an dem andern vier Tage mich geplagt hatte, habe ich zerreißen müssen, weil unterdessen alles änderst eingerichtet worden war, nun kann ich aber nichts mehr! und da Mama selbst kömmt, kann sie dir auch von allen Verwandten und Freunden zehnmal umständlicher selbst erzählen. Ich schicke Dir also für dieses Mal nur dieses wunderliche Blatt, was die inwendig voll geschriebene Adresse eines der Briefe war und allerlei enthält, was ich sonst abschreiben müsste,...
Auf Schücking kann ich mich nicht verlassen Sch übersendet mir zugleich ein Geschenk von Cotta, ein Prachtexemplar des Nibelungenliedes in Folio, mit Randzeichnungen, nebst einem so artigem, fast demütigen Briefe, als ich mir ihn aus Cottas Feder nicht für möglich gedacht habe. Ich will ihn Ihnen abschreiben, halb aus Prahlerei (denn ich bin nicht ein Zehntel so bescheiden als Sie), halb um Ihr Urteil einzuholen, ob Sie meinen, dass ich hierauf wohl gradezu mit meinen gesammelten Gedichten und der etwas hohen Forderung auf Cotta losrücken kann. Sie haben weit mehr Schriftstellerroutine als ich, und wissen besser, inwiefern Verlegerlob auf pekuniäre Beziehungen nachzuwirken pflegt oder nicht. Ich bin...
Ich könnte es nicht überleben, sie zu verlieren Mit Werner habe ich wegen der Zinsen gesprochen, und er will dir das Geld schicken, sobald er nur irgend kann, es liegt ihm selbst schwer auf dem Herzen, und du kannst nur sicher auf den ersten Holzverkauf oder dergleichen rechnen. Ich will ihn dann auch sicher noch daran erinnern. ... Was die Familienpräbende anbelangt, die Mama stiften wollte, so hat sie diesen Plan völlig aufgegeben, da sie sich nicht entschließen kann, künftigen Nachkommen, die sie nicht kennt, zuliebe einen von denen auszuschließen, die sie kennt und besorgt dafür ist, sie hat von selbst mit mir darüber gesprochen, und so wird...
1000 Schritte von meinem Kanapee Jetzt müssen Sie doch wohl wieder zu Hause sein. Ich bin richtig hier geblieben, im strengsten Inkognito, was auch höchst nötig war, denn ich bin schändlich krank geworden. Vorher hatte ich nicht Zeit dazu, aber jetzt habe ich ein ganzes Jahr voll Kummer, Sorge und Ärger nachzahlen müssen. Zudem war mein Homöopath verreist, ist erst vor einigen Tagen rückgekehrt, und ich habe mich solange allein durchgebissen - ganz heimlich, besonders vor den Hülshoffern, um den Klövekorns, Wörlitzens et cet. zu entgehn. Schade, dass der Bönninghausen eine Frau hat, er würde mich sonst gewiss nehmen, wenn nur ein Funken Dankbarkeit und...
Ich kann mir einbilden, Du wärst es Ob ich mich freue nach Haus zu kommen? Nein, Levin, nein. Was mir diese Umgebungen vor sechs Wochen noch so traurig machte, macht sie mir jetzt so lieb, dass ich mich nur mit schwerem Herzen von ihnen trennen kann. Hör, Kind! Ich gehe jeden Tag den Weg nach Haltenau, setze mich auf die erste Treppe, wo ich Dich zu erwarten pflegte, und sehe, ohne Lorgnette, nach dem Wege bei Vogels Garten hinüber. Kömmt dann jemand, was jeden Tag ein paarmal passiert, so kann ich mir bei meiner Blindheit lange einbilden, Du wärst es, und Du glaubst nicht, wieviel mir das...
Warum haben Sie ihm die kleine Freude nicht gemacht? Ich habe soeben einen Brief zerrissen, weil er sich gar zu kläglich ausnahm, einen bereits fertigen Brief an Sie, mein gutes Kind, worin ich zur Entschuldigung meines Stillschweigens das ganze Heer von Trubeln und wirklichen Unfällen, das uns seit vier Monaten verstört hat, aufmarschieren ließ. Wozu das? Es ist ja jetzt vorüber, manches am Ende nur leere Angst gewesen, und anderes bereits halb verschmerzt. Lassen Sie mich lieber Ihnen danken für Ihr liebes Geschenk. Wie es mich gefreut hat, mögen Sie daraus abnehmen, dass ich es unter Umständen, die wohl geeignet waren, mich allen Interessen, außer den allernächsten, zu entrücken,...
Selten sah ich den Glärnisch und entferntere Alpen so klar, überhaupt hatten wir die letzten 14 Tage herrliches Wetter, so dass ich meine Gartenarbeiten recht vollenden konnte, ich habe auch in deinem Rebberg das kleine Beet angelegt mit Erdbeeren, Stachel- und Johannisbeeren, worauf ein Reine Claude und Sauerkirschenbaum gesetzt werden, so dass du mit der Zeit etwas zu schnabulieren bekommst …
Ich hoffe, liebe Nette! du wirst das deinige dazu tun, dass Mama sicher und schon im Mai mit dir sich aufmacht, wartet ihr länger, so werden die Verwandten im Paderbornischen nicht nachlassen, bis ihr dorthin kommt, und dann kann die Reise leicht wieder aufgeschoben werden, du weißt aber selbst, und wirst es leider vielleicht diesen Winter wieder erfahren, wie übel dir die Luft in unserm übrigens so guten Ländchen bekommt, und musst eilen, dich durch die Seeluft wieder zu kurieren.
Meersburg, 26. November 1845
Wie sehr wir uns auf dich und Mama, und alle die ihr mitbringen könntet, freuen, weißt du, liebe Nette! Ich wollte, ihr wäret erst hier, denn ich fürchte immer, es kommt noch etwas dazwischen; und wie wird es sein? Wird Mama über Neuhaus gehen, und du mit der Rüdiger reisen, dies möchte ich wissen, so sehr es mich freuen würde, einen der Onkels zu sehen, so wage ich dies doch kaum zu hoffen, sie sind zu unbeweglich.
So oft habe ich in dieser Zeit mir euer Leben in Rüschhaus vorgestellt, als die lieben Tanten dort waren, wie schön mögen die Nachtigallen geschlagen haben? Aber auch hier war es schön, wir hatten einige herrliche Tage, als [der Neffe] Heinrich hier war, einmal gingen wir vom Frieden aus über den Bengel am See zu Hause, nie sah ich die Gegend schöner beleuchtet, und am Tage vor seiner Abreise war ich mit ihm und den Kindern beim Figel, wo es auch so schön war, ich denke noch mit Vergnügen der Zeit seines Aufenthalts bei uns und kann wohl sagen, dass ich für ihn noch ganz meine alte Vorliebe für ihn behalten habe, Gott schütze ihn, er ist noch so ganz unverdorben, ich hoffe, Werner wird erlauben, dass er im Herbst wieder seinen Rückweg über hier nimmt. …
Alles freut sich auf eure Ankunft, besonders die Fürstin, Rüplin und Emma, darum zögert doch nicht zu lange, bis die schönste Zeit vorüber ist, und die Hitze kommt; dein Garten ist schon fast ganz bepflanzt, die Köchin arbeitet wie ein Pferd darin, er kommt uns gut zu statten, auch in den Reben steht es gut, so dass man auf ein sehr gutes Jahr hofft.
Meersburg, 24. Mai 1846
Über Ihr Befinden habe ich sehr verschiedene Nachrichten erhalten. Diese machten Sie ungeheuer dick, die andern hingegen ganz das Gegenteil. Ich freue mich zu erfahren, dass diese Nachrichten unrichtig waren. Aber zur Erhaltung Ihrer Gesundheit sind zwei Dinge nötig: Bewegung und Luft, und Luft und Bewegung, und das dritte, dass Sie sich regelmäßig Luft und Bewegung verschaffen.
Kommen Sie hieher und Sie sollen gezwungen werden diese Dinge zu gebrauchen. Wir leben hier wie ein Uhrwerk, das auch dann seinen Weg fortgeht, wenn es regnet und schneit.
Bonn, 10. November 1845