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Peinliche Lage

(…) Ich erhielt gestern einen mir peinlichen Brief von Gottfried Kinkel aus Bonn, er beabsichtigt den so oft fehlgeschlagenen Versuch eines „rheinischen Jahrbuchs“ wieder aufzunehmen, und bittet mich, Westphalen darin vertreten zu helfen, beruft sich auf unser beiderseitiges nahes Freundschaftsverhältnis zu Junkmann, übergeht gänzlich, daß ich seine protestantisch gewordene Frau (die Johanna Mockel) früher sehr genau gekannt habe, und zeigt eben hierdurch, für wie aufgebracht er mich (mit Recht) über diesen Schritt hält. Kurz, sein ganzer Brief ist der Art, daß er einerseits durch dringende Bitte, sehr bescheidene Anforderungen und kräftiges Fürwort mir das Abschlagen fast unmöglich macht, und anderseits den Verdacht katholischer Crassheit, die den Zorn über die Verfehmte auf ihren unschuldigen Mann, der doch rein als litterarischer Unternehmer auftritt, ausdehnen könnte, durchscheinen läßt, so daß ich, eben im Interesse unserer religiösen Stellung, ihm ganz gewiß etwas schicken würde, hätte ich mir nicht selbst den Weg verbaut, dadurch daß ich, um mit dem Cölner Feuilleton auf eine unanstößige Art auseinanderzukommen, dem DuMont auf seine Bitte um fernere Beiträge (die nicht unbeantwortet bleiben konnte, da Geld beylag, dessen Empfang angezeigt werden mußte) geantwortet, „daß eine größere Arbeit mich vorläufig schwerlich zu kleineren Gedichten oder Aufsätzen, wie das Feuilleton sie verlange, werde kommen lassen“.

Schicke ich nun dem Kinkel etwas, so liegt meine Abneigung gegen das Feuilleton völlig, und die gegen seinen Redacteur wenigstens halb am Tage. Schicke ich nichts, so bin ich, und mit mir die katholische Partei, ebenfalls bittern Folgerungen ausgesetzt, und komme mit meinem größeren Werke (was mich übrigens wirklich beschäftigt) schwerlich durch, da Kinkel leider durch Junkmann Kunde von Manchem noch Unedirten erhalten hat? Wissen Sie mir Rath zu geben, liebster Freund? (…)

Rüschhaus, etwa 14. Mai 1846

Auf die Anfrage Kinkels, dem Annette kritisch gegenübersteht, lässt sie Elise Rüdiger antworten. Schücking stellt Kinkel schließlich die beiden Gedichte "Der sterbende General" und "Silvesterabend" zur Verfügung.

Kommentare im Kontext dieses Briefes

  1. Gottfried Kinkel sagt:

    Hochgeehrtestes Gnädiges Fräulein!

    In Hoffnung, dass Ihnen mein unterzeichneter Name nicht völlig unbekannt sein wird, und in Hinsicht auf die freundschaftliche Stellung, die Sie wie ich zu unserm Junkmann einnehmen, bin ich so frei, an Sie eine Bitte zu richten. Ich werde im laufenden Sommer im Verlage der Bädekerschen Buchhandlung in Essen den so oft gestockten oder gescheiterten Versuch wieder aufnehmen, ein rheinisches Jahrbuch für Kunst und Dichtung, womöglich auf eine Reihe von Jahren, zu begründen. Mein Augenmerk ist darauf gerichtet, das Unternehmen provinziell zu halten, jedoch so, dass Westfalen mit vertreten werde, da zwischen ihm und dem Niederrhein keine literarische Demarkationslinie sich feststellen lässt. An wen aber in Ihrer Provinz könnte und dürfte ich mich da eher wenden als an Sie?

    Meine bescheidenste Bitte geht auf lyrische Beiträge aus Ihrer Feder: Darf ich mich noch höher versteigen, so kommt mir Junkmanns Bericht in den Sinn, dass Sie auch im erzählenden Fache arbeiten und unserm gemeinsamen Freunde vor einiger Zeit u. a. eine westfälische Bauerngeschichte vorgelesen haben. Junkmann meldet mir, dass Sie in nächster Zeit Bonn besuchen und einige Tage hier verweilen werden. Ich hoffe bei diesem Anlasse auf die Ehre Ihrer Bekanntschaft, und vielleicht hätten Sie die Güte, einiges von Ihren neuern Arbeiten mitzubringen und uns mitzuteilen.
    Schloss Poppelsdorf bei Bonn, 5. Mai 1846

  2. Gottfried Kinkel sagt:

    Ich befinde mich in einer kleinen Verlegenheit, der Sie vielleicht abhelfen können und wollen. Es liegt mir natürlich sehr viel daran, zu Ihrer Charakteristik des Frl. v. Droste auch einige Gedichte, ungedruckte, von ihr als Proben für die mitzuteilen, die von ihr etwa noch gar nichts gelesen haben – und deren sind unter den ordinären Jahr- und Taschenbuchlesern gewiss sehr viele. Nun schreibt mir Frau Rüdiger im Auftrag jener Dame, dass Letztere nichts neues habe als mehrere Gedichte, die jetzt in Ihrer Hand und zu Ihrer Disposition gestellt seien. Ich weiß nicht, ob Sie dieselben bereits zu einem andren Zwecke – vielleicht fürs Feuilleton – bestimmt haben, in welchem Falle ich natürlich zurückstehen müsste.

    Jedenfalls aber will ich nichts versäumen, wenigstens den Namen des Frl. v. Droste für mein Album zu gewinnen, wofür mir schon ein gutes Gedicht genügt. Und eines überlassen Sie mir vielleicht, ohne dass es Sie beschwert. Nur bäte ich dann um rasche Einsendung.
    An Levin Schücking, 20. Juli 1846

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