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Unser Hülshoff liegt öde

(…) mein Bruder Werner wohnt jetzt auch in der Stadt, die öftere Kränklichkeit seiner Frau und Kinder haben den Vorwand dazu hergeben müssen — ich glaube, hätte er gradezu gesagt, er langweile sich auf dem Lande, so wäre er der Wahrheit am nächsten geblieben. Meine Schwägerin zeigt sich noch fortwährend als ein gutes harmloses Geschöpf, und die Kinder sind gesund und gutmüthig, obgleich übrigens weder sehr hübsch noch sehr lebhaft — das erstere hätte man wohl hinsichtlich der beiden Eltern erwarten können.

Unser liebes Hülshoff liegt somit jetzt öde — es sind zwar ein paar Leute dort geblieben, um Garten und Haus einigermaßen in Ordnung zu halten, aber man weiß wohl, wie es mit unbewohnten Gütern geht; Werner hat so wenig Liebe zu seinem Geburtsorte, daß, als ich ihn jetzt im Herbste erinnerte, doch wenigstens zu bestellen, daß die zarten Gewächse in der immer grünen Anlage mit Stroh gegen die Kälte geschützt würden, er antwortete, das sei ganz einerlei, daran werde doch nicht jedes Jahr gedacht werden — und was in diesem Winter nicht erfriere, werde es doch im nächsten et cet.

Du siehst hieraus, was wir für den Ort unsrer Kindheit zu erwarten haben! Ich leugne nicht daß es mich zuweilen tief schmerzt.

Doch leb wohl, meine theure geliebte Freundin, — ich bitte Julie nochmals, nicht böse über meine vielen Fragen zu werden —, und dich, mein gutes Herz, recht bald zu antworten, —

deine Nette

Bruder Werner und Schwägerin Caroline (Line) wohnen den Winter über vermutlich in der Münsteraner Stadtwohnung der Familie Droste am Alten Steinweg.
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