(…) Ich habe jetzt sehr wenig Zeit, denn der Onkel Max hat mir ein selbstverfasstes Werk über den Generalbaß geschenkt. (Eine Abschrift, denn es ist nicht im Druck.) Was folgt daraus? Dass ich aus Dankbarkeit das ganze Werk von Anfang bis zu Ende durchstudiere und auswendig lerne! Ich kann nicht sagen, daß ich es ungern tät, oder daß es mir schwer würde, da ich schon manche andere Werke über den Generalbaß kenne, aber ich muß fast meine ganze Zeit daran setzen.
Außerdem wird jetzt fleißig hier im Hause gearbeitet, Jenny spielt und singt mit großem Eifer, da sie glaubt, in ihrer Abwesenheit Manches verlernt zu haben. Tony und Elise malen den ganzen Tag auf Sammet, Tony weiße und gelbe Narzissen und Elise ein Rosenbouquett, wir sehen uns fast den ganzen Tag nicht, so sehr sind wir sämtlich beschäftigt.
Sag mir liebste Tante, wie hat dir neulich meine zweite Auflage, das andere Nettchen Droste gefallen? Habe ich übertrieben? Deinem Sohn Clemens kannst Du nur sagen, daß er nicht daran zu denken braucht, sein mir gegebenes Stammblatt je mit Augen zu sehn zu bekommen, da er nicht mal so artig gewesen ist, auf ein paar Stunden von Münster herüber zu kommen und Abschied zu nehmen. Du kannst ihm den Mund nur recht wässrig machen und sagen, daß ich bereits das herrlichste Pensee von Federn darauf genäht gehabt hatt — des sentimentalen Abschieds, der durch seine Faulheit an ihm vorüber ins Meer der Ewigkeit gerollt ist, gar nicht zu gedenken.
Von einem gewißen Onkel Philipp habe ich noch kein Wort geschrieben, das tue ich aber, um böse Leute nicht auf argwöhnische Gedanken zu bringen, denn ich muß gestehen, daß er mein Herz totaliter in der Tasche hat. Grüß ihn doch 1000 mal. Papa hat jetzt wieder neue Variationen gemacht, auf das Thema „Wenn die Hähne krähen“, die nach meinem Gefühl schöner sind als alle Vorhergehenden. (…)