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Nachwuchs bey Schückings

(…) bekam gleich darauf einen triumphierenden, strahlenden Brief von Schücking, datiert vom 20. Am vorigen Abend um 7 Uhr hatte er einen jungen Sohn bekommen und ist außer sich vor Freude und Hoffart. Er findet das Kind jetzt schon wunderschön, schreibt, es gleiche Luisen, habe schwarze Löckchen mitgebracht, und sie hätte ihm gleich nach dem Bade einen Scheitel gemacht. Es sei groß, dick und fett, habe lange Hände, Füße und Ohren, werde somit in die baumlangen Galls schlagen, und er sei der einzige von allen seinen schriftstellernden Freunden, der einen Jungen habe, und noch dazu so einen Staatskerl! Was ihm gewiß schrecklich viel Neid zuziehn werde. Er verlangt auch, ich solle sogleich ein Gedicht an das Kind machen. Kurz, er steht beynah auf dem Kopfe vor Freude. (…)

1 Kommentar im Kontext dieses Briefes

  1. Sollten Sie denken, liebes Mütterchen, daß ich in einer Kinderstube sitze und diesen Brief unter dem Geschrei eines Prachtstücks von einem Buben anfange? Gestern Abend sieben Uhr ist Louise niedergekommen; hauptsächlich seit ein Uhr – obwohl schon um drei Uhr in der Nacht zur Hebamme geschickt war – litt Louise gewaltig, denn die Geburt war eine schwere, doch ganz regelmäßige. Der Bube wurde mit ’ner Haube geboren, an Louisen’s Glückstag, dem 19ten, und hatte die Diskretion, sich erst durch die Wehen grade in dem Augenblicke anzukündigen, als das Mädchen die letzte Hand an die Herrichtung der Wochenstube legte. Er ist auffallend groß und stark, und lange Hände, Füße und Ohren kündigen an, daß er in die Familie der baumlangen Galls schlagen will. Tant mieux! Auch sein Gesichtchen gleicht Louise, und eine Stimme zum Criölen hat er – ich sage Ihnen, wie’n Alter! Sie können sich meine Freude denken! Gott erhalte ihn nur und laß ihn mir nur recht gesund werden! Und Sie – Mütterchen, Sie müssen ihn lieb haben und ihn segnen, das wird ihm gut tun, wissen Sie, und da Sie nun doch sein Großmütterchen sind, so müssen Sie ihm ein Gedicht in seine Wiege legen als Talisman! Wenn Sie sich ihn dazu vorstellen wollen, so denken Sie sich nur einen kleinen roten Chinesen, der schon seine eignen eigensinnigen Allüren hat, obwohl er nicht vierundzwanzig Stunden alt ist, und der fürchterlichen Appetit besitzt.

    Sie haben mir geschrieben, ich sollte Ihnen einen kleinen Jungensbrief schicken – und sehen Sie, da haben Sie einen im eigentlichsten Sinne der Rede; ich könnte Ihnen den ganzen Brief vollschreiben von allen seinen Künsten, Manieren und Eigenschaften. Louise ist fürchterlich stolz auf ihn – ich bin es auch, und Kolb, der für sein Mädchen ums Leben gern einen Buben hätte, beneidet uns überaus.

    Jetzt, liebes Mütterchen, müssen Sie auch bald zu uns kommen, damit ich Ihnen mein Prachtstück zeigen kann!

    Aus dem Kerl, denk‘ ich, soll was Rechtes werden, vor allen Dingen ein braver Mensch und kein Genie …
    Augsburg, 20. Dezember 1844

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