(…) Junkmann soll in Bonn sehr vergnügt sein. Er hat mir kürzlich geschrieben, und ich zögere mit der Antwort, um es weniger auffallend zu machen, wenn ich auf keinen seiner Briefpunkte eingehe. Ich fürchte, er kömmt oder ist bereits in schlechten Händen, ich meine Denen der Demagogen, der eine Redakceur der „Cölner Zeitung“, Brüggemann (ein berüchtigter Demagog, unter dem das Blatt bereits eine sehr böse Richtung soll genommen haben) ist sein intimster Freund, und in seinem Briefe steht: „Schaffen Sie sich das Vorurtheil aus dem Kopfe, als hätte ich politische Vorurtheile; Ja! politische Einsicht habe ich, und politischen Spott, mehr als man in Westphalen vertragen kann, und die sogenannte katholische Partey. Aber was kann man dafür, wenn man klüger ist als Andre? Ich habe das durch Leiden, durch Studien, durch ausgebreitete Bekanntschaft mit allen Parteyen mir erworben.“ Erkennen Sie unsern frommen Junkmann darin wieder?
Nehmen Sie dazu, daß ich ihm, seit er fort ist, nicht geschrieben, folglich zu dieser Verwahrung nicht die mindeste Veranlassung gegeben habe. Ich fürchte, das böse Gewissen spricht aus ihm, und er weiß sich bereits als den Verfasser des einen oder andern anrüchigen Aufsatzes. Für die schlesische katholische Zeitung scheint er schon mal gar nicht mehr zu passen. Auch sonst deutet Manches darauf hin. Sein Hauptumgang ist (außer Simrocks) im Kinkelschen Hause. (Für einen Stockkatholiken doch nicht grade passend.) Sein Briefstyl ziemlich burschikos und impertinent. Ich habe ihm ein Exemplar meiner Gedichte versprochen und müsse es ihm schicken, denn er habe kein Geld, und es sey mir ein Leichtes, in Deiters Laden zu gehn (er nimmt also an, ich müsse das Buch kaufen). Auch „eine Perle aus meinem in den Kaisergräbern gefundenen Rosenkranze“ verlangt er, und „wolle ich dem Buche meinen Namen einschreiben oder ein Brieflein beyfügen, so werde ihm das um so angenehmer sein, jedoch, mit oder ohne Brief, solle ich ihn nicht zu lange warten lassen.“ Diese sind zwar die auffallendsten Sätze, und es steht noch allerley dazwischen, wodurch sie getrennt und deshalb weniger auffallend, aber sonst nicht besonders gemildert werden. Klagen über Schücking, der ihn an seinem ins Rheinische Jahrbuch aufgenommenen Gedichte vieles verändert, et cet.
Mir hat der ganze Brief einen höchst unheimlichen Eindruck gemacht. Großer Gott! daß alle Dichter doch so wandelbar sind! Daß man auf Nichts bey ihnen bauen kann! Keine jahrelange Kenntniß ihres Karakters! Ich fürchte, und wahrlich mit großer Betrübnis, daß Junkmann, über kurz oder lang, auch zu denen gehören wird, die ich wünschen muß, nicht so genau gekannt zu haben.
Für jetzt werde ich ihm noch alles Verlangte schicken, mit Uebergehung seiner Briefpunkte von allen Bekannten erzählen, aber mich schon streng hüten, eine Meinung auszusprechen. Das alte Vertrauen ist hin! Wer hätte das noch vorm Jahre gedacht! (…)
Hiermit will ich Sie an ein Versprechen erinnern, welches besteht in der Übersendung eines Exemplares von Ihren Gedichten. Sie haben mir dieses vor 14 Monaten versprochen und sind gehalten es zu lösen; denn
a) sind Sie ein Edelfräulein;
b) haben Sie Geld;
c) habe ich keines;
d) bin ich ein Verehrer Ihrer Poesie
e) als Landsmann
f) als Gesichtsverwandter
g) würde der Besitz mich um 2 Reichstaler reicher machen, also mein Vermögen vermehren, worauf ich jetzt so sehr bedacht bin, wie irgend je, d.h. früher nie. Wenn Sie Ihren Namen einschreiben oder ein Brieflein beifügen wollten, so würde mir das noch angenehmer sein …
Dann habe ich drei Bitten:
a) Schenken Sie mir ein Kügelchen von dem Kaiser-Rosenkranze. Sie ahnen nicht, wie tief ich von Jugend auf im Mittelalter wurzelte.
b) Entschuldigen Sie mich bei der Rätin Rüdiger, dass ich gar nicht schreibe. Ich darf es nicht, es verwirrt mir den Kopf.
c) Schaffen Sie sich das Vorurteil aus dem Kopfe, als hätte ich politische Vorurteile. Ja, politische Einsicht habe ich und politischen Spott, mehr als man in Westfalen vertragen kann und die sogenannte katholische Partei. Aber was kann man dazu, wenn man
klüger ist als andere. Ich habe das durch Leiden, durch Studien, durch ausgebreitete Bekanntschaft mit allen Parteien mir erworben.
Sie fragen mich, wie es mir geht? Nun, nach den langen Gesichtsschmerzen, Rheumatismen, Kopf-Hals-Zahnschmerzen, nach der Kaltwasserheilanstalt diesen Herbst gut, körperlich und geistig. Doch muss ich Geduld mit mir haben in vieler Hinsicht und geistig und leiblich Diät halten. Ich muss vorwärts sehen und mich in Gottes Willen ergeben. Geduld mit mir und andern.
So hat mir Schücking, der so viel über meine Form zu tun hat, leichtfertig genug an wenigstens 40 Stellen den Meyer in Form oder Sinn verballhornt. Ich werde die Folgen tragen müssen. Er macht sich wenig daraus, da es zu den Dns minorum Gentium gehört. Es tat mir weh, ein, zweimal; jetzt ist auch dieser Schmerz vorbei. Lass fahren was nicht bleiben will!
Doch ich will schließen, damit ich nicht zu viel an Sie denke und zu viel von Ihnen, mit denen ich ja nur auf „Kündigung“ nicht in „Freundschaft“ stehe, wenn Sie sich dessen noch seit fast 10 Jahren erinnern, erwarte.
Aber senden Sie mir die Sachen, ohne Brief oder mit Brief. Lassen Sie mich nicht zu lange warten. …
Verzeihen Sie mir, wenn ich so wenig und wunderlich schreibe, wo sollte ich aufhören, wo anfangen, wenn ich auch nur etwas ausführlich sein wollte? Aber Sie antworten doch bald?!
Bonn, 7. Dezember 1845