(…) Junkmann hat nicht für gut gefunden, Notiz von meinem Geschenke und Briefe zu nehmen, oder vielmehr zu geben; artig ist das nicht, aber mir recht lieb; J[unkmann] ist ein so seltsamer Mensch, daß man aus seinen Briefen eigentlich auf gar nichts schließen kann; oft meint man, sie ganz klar zu verstehn, und er behauptet hintennach grade das Gegenteil gemeint zu haben. Wie? weiß Gott und er allein. Ironisch? das will nicht immer passen. Ich denke hieroglyphisch. So will ich ihn nicht voreilig richten, aber bis ich ihn selbst gesehn und mich vielleicht eines Erfreulicheren überzeugt habe, bleiben er und sein Briefwechsel mir unheimlich.
Schücking hat mir dagegen einen wirklich herzlichen Brief geschrieben; er konnte mir Geld und einen sehr artigen Brief von DuMont schicken, da hat seine natürliche Gutmüthigkeit und Lust andern Freude zu machen ihn liebenswürdig gestimmt. Er hat jetzt ein Töchterchen, „Gerhardine“, das aber sehr viel schreit und, wie ich fürchte, in der elterlichen Liebe dem kleinen „Herrn der Schöpfung“ sehr wird nachstehn müssen. Dem Lotharchen wird als mütterliches Erbtheil ein ganz enormes musikalisches Talent zugeschrieben; gehen und sprechen kann er noch nicht, aber „trotz seiner 14 Monatchen eine Polka ganz tacktfest singen“. Der gute Levin weiß nicht, daß seine Luise, trotz ihrer magnifiquen Stimme, fast ebensowenig Gehör hat als er selbst!
Er fordert mich ganz naiv auf, eine Rezension seiner Gedichte von Dingelstedt (ich meine im „Morgenbl[att]“ der „Allgemeinen“) zu lesen. (Das Klübchen thut gar nicht heimlich damit, daß es sich untereinander rezensirt!) Diese habe ich nicht gelesen, aber eine im „Frankfurter Konversations-Blatt“, von Riehl, Nr. 17 – 18, die er mir schwerlich würde emphohlen haben. Sie ist von einer perfiden Freundlichkeit, so wohlwollend und so herabsetzend!
Gleich der Eingang: „Es gibt Schriftsteller, die man nicht scharf rezensiren kann, die durch das Harmlose ihres Auftretens und Schaffens, durch ein mildes freundliches Wesen et cet“. So geht es voran; das Resumé des Ganzen: „Er sei ein gemüthliches, weibliches Talent, nur dann unangenehm, wenn er über seine Sphäre hinaus wolle, freiligrathisire et cet., werde schwerlich Epoche in der Litteratur machen, aber in manchem sinnigen Gemüthe, und er sei, mit einem Worte (als Schluß), ein Dichter, dessen Gedichte man sinn- und gemüthvollen Frauen nicht genug emphehlen könne!“
Ich fürchte hiervon eine sehr schädliche Wirkung. Statt sich auf das ihm bezeichnete Feld (für ihn wirklich die einzige kränzetragende Arena) zu beschränken, wird er nun doppelt donnern und blitzen, das Kraftgenie forciren wollen, und dann ruinirt er seinen ganzen, ohnedies schwankenden Ruf, was doch in seiner Lage ein reelles Unglück wäre. Ich möchte ihn gern warnen, aber es wird nichts helfen, und meine Mitwissenschaft um diesen angehängten Flecken ihn nur beschämen und erbittern. (…)
Es gibt Schriftsteller, die man nicht scharf rezensieren kann, die durch das Harmlose ihres Auftretens und Schaffens, durch ein mildes, freundliches Wesen, welches aus ihren Werken uns anblickt, jene stille Behaglichkeit in uns erwecken, das, insofern es sich eben als den wesentlichen Eindruck des Buches gibt, eine strenge Analyse sofort als verfehlte Kritik, wenigstens als schlechte Charakteristik würde erscheinen lassen. … Und soll ich zum Schlusse noch ein rühmendes Wort aussprechen, was eigentlich schon in dem eben gesagten versteckt angedeutet ist, so möchte ich Schücking einen Lyriker nennen, dessen Gedichte man geist- und gemütvollen Frauen mit der wärmsten Empfehlung in die Hände geben soll.
Frankfurter Konversationsblatt, März/April 1846